Auf der Jagd nach den Spirits. Viola Flambe legt seit über zehn Jahren professionell Tarot-Karten und tritt mit den Geistern in Verbindung. Als „die weiße Büffelfrau“ lebt sie das Übernatürliche und führt eine uralte Tradition fort, die zahlreich Anhänger findet.
Schamanismus inmitten Kelheims – die weiße Büffelfrau praktiziert in der Lederergasse unter anderem schamanische Hypnose und die Kunst der Tarot-Karten. Ihre Praxis ist ganz im Stil des ursprünglichen Schamanenkults gehalten: Büffelfell und Räucherstäbchen. Der Lebensstil der Schamanen erinnert oft an den afrikanischen; der Begriff selbst stammt jedoch aus dem Sibirischen. Schamanen lebten vom Volk für das Volk. Mit den Geistern aus dem Jenseits in Kontakt treten ist auch bei der weißen Büffelfrau keine Seltenheit. Viola sieht sich dabei als Medium der Inspiration und Intuition und lässt dies auch ihre Kunden spüren. «Sie bringt dich in eine andere Welt und lebt das voll und ganz!», sagt Wilhelm, der sich bei Viola im Schamanismus ausbilden ließ. «Sie macht massiv Werbung in eBay-Kleinanzeigen und auch auf Facebook, ich bin trotzdem durch Zufall darauf gestoßen.» Der Kontakt zu den Urahnen erfolgt scheinbar nicht ohne Gegenleistung. Die stolzen Preis der angebotenen Sitzungen, die ganz einfach per Telefon oder E-Mail vereinbart werden können, bestätigen das. Auch Schamanen müssen ihren Lebensunterhalt noch bezahlen.
Leben in Trance
Seit ihrem 15. Lebensjahr übt sich Viola Flambe an den Tarot-Karten. Sie sieht sich dabei als Übersetzerin der Botschaften, die durch die gelegten Karten übermittelt werden. 2012 rückte die weiße Büffelfrau besonders in den Vordergrund, als die Menschen vor einem möglichen Weltuntergang Gewissheit im Schamanismus suchten. Das Geschäft in ihrer Praxis läuft seitdem gut. Sie bietet nicht nur Seminare zur Meditation an, sondern ermöglicht außerdem den Kontakt zu Druiden aus einer anderen Zeit.
Vor einigen Jahren kam ihr die Erscheinung eines weißen Büffels. So fand sie, wie die meisten anderen Schamanen ihr besonderes Krafttier und nennt sich seitdem «weiße Büffelfrau». Der Kontakt zum Einzelnen und der Glaube an ihre Kraft ist der ihr enorm wichtig. Viola übermittelt stets ihren Leitspruch: «Bewusst ein einzigartiges Individuum sein und so leben. Anders sein. Jeder Mensch ist einzigartig.» Das spiegelt sich auch in den Kunden wider: «Sie lebt das voll und ganz. Sie sagt zu jedem, er ist etwas ganz Besonderes», sagt Wilhelm. Bereits an der Tür wird dem Kunden das Du angeboten und die Distanz bewusst verdrängt.
Reise in das Ungewisse
«Es ist wie eine große Familie, man trifft sich, viele kommen und gehen wieder. Ihr Mann übernimmt die ganze Planung und arbeitet eigentlich nur bei ihr», so Wilhelm. Er kümmert sich um die Werbung sowie den Kontakt über Facebook. Die Tätigkeiten werden oft von Passanten als ein Treffen Verrückter abgetan und mit einem Kopfschütteln bedacht. Die weiße Büffelfrau meint dazu nur: «Verrückt sein bedeutet hier, zu wissen, dass man nicht der Norm entspricht», in ihren Augen ein positiver Schritt. Ein zufriedenes Leben führen soll einen zentralen Punkt im Dasein einnehmen. Hierfür ist eine Reinigung an «Orten der Kraft» ein wichtiger Bestandteil. Eine besondere Reise für Viola Flambe ist die wiederholte Begegnung mit dem persönlichen Krafttier, dem Büffel. Es handelt sich dabei nicht etwa um ein Aufeinandertreffen mit einem echten Lebewesen, sondern um eine rein geistige Reise in das Innere. Im Rahmen eines eintägigen Workshop haben die Teilnehmer die Möglichkeit auf diese Reise zu gehen. Es gibt keine Garantie auf ein übernatürliches Treffen, jedoch sei der Kontakt zur göttlichen Essenz und zu aufgestiegenen Meistern das Ziel. Eine schamanische Reise beginnt jedoch bei einem «Bahnhof», einem Ort der Natur. Das Vollmondtrommeln ist ein beliebter Anlaufpunkt. Einmal im Monat treffen sich die Teilnehmer, um gemeinsam für den Frieden zu trommeln. Um sieben Uhr am Abend beginnt die weiße Büffelfrau offiziell mit einer selbst gebauten Schamanentrommel die Anwesenden in Trance zu versetzen und die Kraft des Ortes zu entfalten. Bis acht Uhr erklingt die Trommel und jeder Interessierte ist herzlich willkommen. «Das Vollmondtrommeln geht aber nicht mehr von der weißen Büffelfrau aus. Und es gibt viele Schamanen, die es auch an anderen Orten der Kraft veranstalten», berichtet Wilhelm später.
Ahnenforschung
Viola lässt für die Zeremonie kalifornische Salbeiblätter importieren. Durch ihre starke Wirkung soll ein einfacherer Kontakt zu den Spirits, den Ahnengeistern, möglich sein. In Violas Praxis thront ein zwei Meter großer ausgestopfter Büffelkopf, der einen gewissen Respekt einflösst. Nach einer Räucherung tritt Viola zwischen die Welten und spricht davon, die Spirits zu hören, während sie die Tarot-Karten verschiebt. Auch Wilhelm hat sich im Kartenlegen geübt: «Bei ihr habe ich die Grundkenntnisse der Tarot-Karten gelernt.» Doch nicht nur darin hat er Fortschitte gemacht. «Außerdem lernte ich vier verschiedene Hypnosetechniken und das Reinigen, auch Räuchern.» Eine Form der Hypnose ist die Reinkarnation oder Rückführung. Dabei ist eine Reise zu den Ahnen der Mittelpunkt. An die eigene Vergangenheit erinnern und die Botschaft der vergangenen Seelen verstehen – das ist das Ziel. Es gehe darum «wer man ist in diesem Leben» so Viola. Man versteht darunter eine Heilkraft; die Möglichkeit wahrzunehmen, was einen selbst betroffen hat.
Gold der Schamanen
Aus dieser Kunst hat sich eine regelrechter Wirtschaftsboom entwickelt. Seit 2016 besitzt die Schamanin Social-Media-Konten. Kartenlegen, Reinkarnation und weitere Sitzungen werden mit einer Pauschale von 95 Euro vergütet. Auch an Gutscheine einer schamanischen Sitzung für Familie und Freunde wird im Angebot gedacht. Für professionelle Lernseminare muss man schon tiefer in die Tasche greifen und ist mit 200 Euro wohl gut bedient. Sämtliche Angebote sind natürlich bequem über eBay und Facebook buchbar. Mit über 3200 Besuchern der Kleinanzeigen-Seite und circa 8300 Facebook-Followern scheint ein grundsätzliches Interesse vorhanden zu sein. Auch Wilhelm sieht in dieser Handhabung Probleme: «Mein finanzieller Ausgleich war auch nicht ohne – du musst alles im Voraus zahlen. Eine Rechnung für‘s Finanzamt bekam ich nie.» Viele vertreten Wilhelms Meinung. Violas Mann kümmert sich um die Finanzen, macht Werbung und betreibt den Facebook-Account. «Manche Leute behaupten, ihr Mann ist Schwarzmagier und beeinflusse das Ganze vorsichtig ausgedrückt», sagt Wilhelm – Schwarzmagier wollen dem Schamanismus zufolge nur Macht ausüben.
Auch 2019 steht wieder eine besondere schamanische Reise an: Eine Reise an die Kraftorte Englands. In zehn Tagen besucht sie Orte wie Avalon oder Avebury und nimmt an der Zeremonie der Druiden im Steinkreis von Stonehenge teil. Bis dahin siniert die weiße Büffelfrau weiterhin durch die Welten der Geister zwischen Weihrauchduft und beschwörerischen Formeln. Die Spirits scheinen ihr weiterhin wohlgesonnen und sprechen mit ihr. 2012 prophezeite Viola vor der Bundestagswahl: «Merkel wackelt. Dass sie Kanzlerin bleibt, ist eher zu bezweifeln.» Sechs Jahre später verkündet Merkel schließlich, sie werde nach ihrer vierten Amtszeit nicht weiter kandidieren. Auch Wilhelm zieht nach der Zeit bei der weißen Büffelfrau weiter: «Ich bin mittlerweile nicht mehr bei ihr; ich habe in anderen Bereichen bessere Lehrer gefunden.»