Dunkle Schatten tanzen über die Zeltwände aus schwarzem Segeltuch. Rauchschwaden drängen sich unter dem runden Dach der Jurte. Dicht an dicht sitzen wir um das Feuer und trinken heißen Tee. Draußen pfeift der eisige Wind, im Zelt singen die Pfadfinder ihre Lieder. Unter ihnen ist der 16 jährige Manu, der hier ein Zuhause gefunden hat. Vor 2 Jahren starben seine Eltern in kurzem Abstand zueinander.

Am Rande Münchens in einem Vorort steht die Holzhütte des Pfadfinderstammes. Sie wurde erst neu gebaut, als die alten Bauwägen dem Umbau des angrenzenden Supermarktes weichen mussten. Damals mussten alle mit anpacken, denn die Hütte wurde als Bausatz geliefert. Nun erstreckt sie sich auf knapp 16 Metern Länge über das Grundstück. Hier treffe ich mich mit Manu.

Manu begann mit 6 Jahren bei den Pfadfindern. Sein Vater, sein Großvater und sogar seine Oma waren bereits Pfadfinder.

Damals war das Stadtfest, bei dem wie jedes Jahr auch eine Jurte (großes, rundes Zelt für etwa 20 Leute) aufgebaut war. Manu war begeistert und als sein Vater ihm dann abenteuerliche Geschichten von seiner Zeit bei den Pfadfindern erzählte, wollte er es unbedingt mal ausprobieren.

Aber was macht man denn da eigentlich? Bei den Pfadfindern? Kekse verkaufen? Das ist wohl das erste was vielen beim Wort Pfadfinder einfällt. Ein Vorurteil, das wohl daher kommt, dass die Scouts in Amerika das teilweise wirklich machen.

«Man trifft sich einmal die Woche zur Gruppenstunde. Die Meute (das sind die jüngeren bis ca. 12 Jahre) spielen dann meistens, und die Sippe (die älteren) machen schon etwas anspruchsvolleres. Das geht von Feuer machen bis hin zur Planung von Fahrten. Aber gespielt wird natürlich auch», erklärt Manu. Die Fahrten sind wohl das spannendste an der ganzen Sache. Mal fährt man übers Wochenende in näher gelegene Gegenden, einmal im Jahr findet aber die Großfahrt statt, bei der es die Pfadfinder in die Ferne zieht: Zwei Wochen in Slowenien oder Frankreich etwa.

Das Reisen ist die eine Sache, viel wichtiger dabei aber ist die Gemeinschaft in der man unterwegs ist. Aber warum dann nicht Fußballspielen im Verein? Da hat man doch auch eine Gemeinschaft? «Ja, aber da konzentriert man sich wahrscheinlich mehr auf das Spiel und redet über Sachen, die mit dem Fußball zu tun haben. Pfadfinder sein ist mehrere Hobbies in einem. Da redet man über alles. Eigentlich ist es auch eine Art Lebenseinstellung».

Elektronische Geräte, wie Handys oder Taschenlampen trifft man hier nicht an. Ohne diese Dinge klarzukommen von denen man sonst so abhängig ist, ist hier die Devise. «Manche Sachen sieht man dadurch anders. Man kommt besser klar, wenn mal etwas nicht so gut klappt und reagiert nicht über. In Slowenien haben wir im Freien übernachtet, weil es am Abend 30 Grad hatte. Nachts hat es dann richtig heftig zu regnen angefangen. Alles war kalt und nass, aber das ist dann halt so, und wenn man sich aufregt bringt das auch nichts».

Verantwortung zu übernehmen ist wichtig. Seit knapp einem Jahr leitet Manu mit einem weiteren Mitglied eine Meute. «Es ist schon cool, kann aber auch echt stressig sein. Vor allem bei den Kleineren muss man schauen, dass sie immer beschäftigt sind und keinen Schmarrn machen. Das ist dann schon anspruchsvoll».

Vor drei Jahren starb Manus Vater an einer Lungenentzündung, die von den Ärzten nicht erkannt wurde. Ein Jahr darauf seine Mutter an Krebs. «Damals waren die Pfadfinder eine Art Konstante für mich. Wenn mal was war, hatte ich da immer jemanden zum Reden» Manu zog in ein betreutes Wohnheim am anderen Ende von München. Seine zwei Jahre jüngere Schwester in ein nahe gelegenes. Trotz einer Stunde Fahrzeit ist er den Pfadfindern treu geblieben. «Am Anfang bin ich auf Fahrten nicht mehr so oft mitgekommen, die Betreuer konnten mit dem Thema auch nicht so viel anfangen. Inzwischen ist das aber kein Problem mehr».

Im Wohnheim lebt er zusammen mit neun anderen Jugendlichen. Jungen und Mädchen gemischt im Alter von 14 bis 18 Jahren. Fünf Betreuer wechseln sich ab und sind als Ansprechpartner anwesend. «Jeder muss einmal in zwei Wochen Abendessen kochen und es gibt noch andere Dienste und Regeln die man befolgen muss. Aber das sind dann eben Sachen, die ich vorher mache, wenn ich mit den Pfadfindern auf eine Fahrt fahren möchte». Viel Aufwand, den Manu betreibt, um seinem Hobby weiterhin zu folgen. Es hat ihn geprägt und bleibt bei ihm.

Einmal Pfadfinder – immer Pfadfinder.