Hip-Hop-Tanz und Streetdance sind in Deutschland eher unpopuläre Sportarten. Unsere Gruppen stoßen bei Wettkämpfen und Weltmeisterschaften immer wieder auf Probleme vorallem in der Finanzierung und Realisierung.
«Du warst einfach wie so ein kleines Kind, das nicht wusste, wohin mit seinen Emotionen», beschreibt Dennis Langthaler den Moment hinter der Bühne kurz vor dem Auftritt bei der Weltmeisterschaft in Phoenix. «Wir hatten eine thailändische Crew vor uns, die alle im Takt Ha Ha Ha Bum Krach geschrien haben und dabei Moves gemacht haben, bei denen du erstmal Angst und vor allem Respekt bekommen hast.» Die Weltmeisterschaft ist eine weitaus größere Veranstaltung, mit mehr Gruppen, mehr Zuschauern und auf einem viel höheren Niveau, als der deutsche Vorentscheid. Ein Erfolg der Sonderklasse: Eine nur 17-köpfige Gruppe, die in dieser Form erst seit dem Jahr 2015 existiert, hat den großen Sprung gewagt. Aus dem mit 40 000 Einwohnern kleinen Ansbach haben sie es in die 1,6 Millionen große Metropole Phoenix auf eine der größten Bühnen der Welt geschafft. Ein großer Sprung in einem hier zu Lande eher unpopulären Sport.
Hip-Hop-Tanzen und Streetdance werden nicht als Leistungssport gefördert und gute Gruppen kämpfen mit der Finanzierung von Wettkämpfen im Ausland. Das Bundesministerium des Inneren vergab Fördergelder in Höhe von 190 000 Euro an den Deutschen Tanzsport Verband im Jahr 2017 für die Bezahlung von Trainern und Leistungspersonal und für die Durchführung von Trainings- und Wettkampfmaßnahmen. Das Hip-Hop-Tanzen und der Streetdance gehören nicht zum Deutschen Tanzsport Verband, sie erhalten keine Fördergelder und sind nicht als Leistungssport kategorisiert. Trotz der Komplikationen vertreten immer wieder einige Crews Deutschland international.
«Wer kann daran denn was ändern?»
«Wer kann daran denn was ändern?», fragt Dennis. In vielen anderen Ländern ist das Hip-Hop-Tanzen ein anerkannter und populärer Sport. Auf den Philipinen zum Beispiel sind die 40 Sportler, die jährlich zu der Hip-Hop-Weltmeisterschaft «Hip Hop International» gehen, kurz auch «HHI», gefeiert, wie in Deutschland die Fußball Nationalelf. Wegen der in Deutschland fehlenden Popularität des Sportes kämpfen deutsche Gruppen mit vielen Problemen. Eine Reise nach Nordamerika mit 17 Leuten ist eine kostspielige Angelegenheit.
Die Crew #notReal erfuhr das beim diesjährigen Antritt. Jeder musste eine Summe von insgesamt 2500 Euro pro Person auftreiben, ohne Sponsoren und staatliche Unterstüzung. Sie haben zusammen eine Gala organisiert, diverse Workshops veranstaltet, Auftritte gemacht und Sponsoren gesucht, damit der Traum Weltmeisterschaft wahr wurde. Die Stadt Ansbach spendete 5000 Euro an die Tanzschule der Crew. Die Gruppe hat es geschafft, die Hälfte der Kosten durch ihr Engagement aufzutreiben. Das bedeutet für jeden Tänzer, die andere Hälfte der Kosten selbst zu tragen. «Jede Einnahme, Spende und Unterstützung muss natürlich auch versteuert werden. Das erschwert alles zusätzlich», merkt Daniela Telenga, Inhaberin der Tanzschule Dance 14’s und Trainerin der Formation #notReal an. Die Tänzer müssen neben zwei bis drei Trainingseinheiten in der Woche, Studium, Schule und dem Job einen Platz dafür finden.
Hannover, Swiss Life Hall. Die Siegerehrung des deutschen Vorentscheids beginnt. Die gesammte Halle ist gespannt und fiebert für Ihren Favoriten mit, die Tänzer auf der Bühne zittern. Der Moderator verkündet die Gruppen, die sich für die Weltmeisterschaft qualifiziert haben. «Das war der beste Moment, den wir zusammen erlebt haben», sagt Felicitas. Die Gruppe #notReal springt auf, schreit laut und umarmt sich. Geschafft – realisiert langsam jeder der 17 Tänzer in diesem Moment, sie sind sprachlos und erleichtert. Sie fliegen nach Phoenix und messen sich mit den Besten Crews der Welt.
Geld – ein Thema, das die Crew nach dem Vorentscheid viel Zeit gekostet hat. «Du hättest viel Energie ins Training stecken können, musstest aber die Gala organisieren, hier Geld sammeln oder dort was machen. Es war so viel Energie, die du hättest investieren können in neue Ideen, Training oder Krafttraining», sagt Dennis. In Deutschland fehlen Sponsoren; viele Firmen streuben sich, die Crew fianziell zu unterstützen, andere Sportarten bieten eine größere Reichweite. Neuseeland zum Beispiel überträgt die Weltmeisterschaft live im Fernsehen auf mehreren Kanälen gleichzeitg. Viele Neuseeländer fiebern mit, während ihre Tänzer in den USA auf der Bühne ihr Bestes geben. Deutsche Crews im Vergleich erreichen nicht einmal 10 000 Clicks auf Youtube. «Ich finde, gerade die Hip-Hop- Tanzarten erreichen die breite Masse zu wenig und, dass bei uns alles im Wachsen und im Kommen ist», erklärt Daniela.
Team Recycled
Das Training mit Open End beginnt um halb zehn mit einem anstregenden Warm-up, geht über das Lernen der Choreo, bis hin zum Aufstellen der Show. 34 Personen eilen von ihrem Alltag, dem stressigen Job oder der Uni in eine Turnhalle in Berlin und fangen an zu schwitzen. «Du willst nachts schlafen und zur WM fahren, das passt nicht. Du musst einfach immer einen Schritt weiter gehen.», erklärt Jeffrey Jimenez, Trainer und Organisator von Team Recycled, den allen Jeff nennen.
#notReal ist nicht die einzige deutsche Crew, die es zur Weltmeisterschaft geschafft hat. Team Recycled, eine der bekanntesten und besten Streetdance-Gruppen Deutschlands, hat schon dreimal teilgenommen. Sie waren die Ersten, die für Deutschland in der Kategorie Mega Crew gestartet sind. In der Kategorie tanzt eine Crew mit 15 bis 40 Personen. Sie gilt als die Königsdisziplin der Hip-Hop-Weltmeisterschaft. Team Recycled schafft es in die Top 10 und gilt damit als eine der besten Crews der Welt. Sie stießen im Laufe ihrer Karriere auf dieselben Probleme. Nachdem sie 2012, 2013 und 2014 bei der Weltmeisterschaft waren, die damals noch in Las Vegas stattfand, fehlte das Geld für eine erneute Teilnahme. Auch Team Recycled hat durch Workshop Touren und kleinere Aufträge einen Teilbetrag sammeln können, doch viele Tänzer mussten einen großen Teil aus eigener Tasche bezahlen.
«Es raubt dir so viel Energie und die Energie, so zu trainieren, um auf ein Weltmeister-Niveau zu kommen war nicht mehr da», meint Jeff. «Wir haben alles probiert, aber der Staat sagt, es sei kein Leistungssport, weshalb es nicht gefördert wird, und Puma, unser Sponsor, stattet uns nur mit Outfits aus», erklärt er. Team Recycled will Hip-Hop etablieren. Deutsche Teams sollen zeigen, was sie können, und je mehr Teams das zu Wege bringen, desto mehr Aufmerksamkeit erhaschen sie. Mit Auftritten und Jobs in Mumbai, Las Vegas, Valencia oder Peking steigern sie die Popularität des Sportes.
«Die Hip-Hop-Community ist ein großes Segen für die Jugend», glaubt Jeff. Beim Tanzen hat der Spaß und der Ausdruck immer Priorität. Fußball hat seine Regeln und ein Tor zählt immer gleich– doch was zählt beim Tanzen? Es ist ein Sport, der verbindet, und ein Sport, der es dir erlaubt dich auszudrücken. Tanzen, so Jeff, ist echt magisch und echt mächtig. Team Recycled ist ein wahr gewordener Traum für ihn, ein Traum der gleichzeitig viel Arbeit bedeutet. Neben der Crew gibt es noch die TR Agency, eine Agentur, die Jeff und sein Kollege Devin Ash-Quaynor leiten. Die Agency vermittelt Tänzer und Jobs. Es ist ein Fulltimejob, der natürlich auch einen bitteren Nachgeschmack hat, da die Agency einen Teil der Traingszeit einnimmt.
Für Jeff von Team Recycled steht nicht das Geld im Vordergrund: «Einfach mit Leuten, die du gern hast, Höhen zu erklimmen, zu performen, dein Bestes zu geben und so viel Erfahrung zu sammeln wie möglich».
Felicitas von #notReal genießt die Zeit zusammen, «wir nehmen das als Erfahrung mit und die Erinnerungen, die kann uns einfach keiner mehr nehmen.» #notReal hat es mit nur 17 Tänzern, bei einer durchschnittlichen Gruppengröße von 40 Personen, auf den 46. Platz der Weltmeisterschaft 2017 geschafft und zählt damit zu den besten 50 Crews weltweit.