Der Klang des Om Shanti steht für das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele. Zu Meditationszwecken wird das von Simone und ihren sechs Schülern zum Ende jeder Yoga Stunde gesungen. Die Hände sind vor der Brust gefalten. Die Yogamatten, auf denen die Schülerinnen Yoga üben, sind purpur – eine Farbe, die man häufig im Yoga findet, sie wird oft mit der Reinigung des Körpers assoziiert.

Herren sind Mangelware

Wer in die Kurse von Simone blickt, findet eines sehr selten: Männer. Simone erzählt mir, sie unterrichtet derzeit ca. 60 Schüler, Jürgen ist der einzige Mann darunter. «Yoga ist was für Weiber», «da bin ich ja der Hahn im Korb», «da werden nur leichte Dehnübungen gemacht», ist die einhellige Meinung von befragten Männern. Sie haben ganz andere Interessen beim Sport: wollen ihre Kräfte messen und schätzen den Wettbewerb. Pascal geht mehrmals pro Woche joggen und spielt Handball im Verein. Er hält Yoga für einen Alibi-Sport, den reife Frauen ab 40 ausüben, denen eine gesunde Lebensweise wichtig ist. Männer-Sport darf kein Weichspüler-Sport sein. Pascal besucht im Fitnessstudio Kurs wie Ultimate Boxing, Body Pump und Hot Iron. Er will danach schließlich spüren, dass er Sport getrieben hat.

Sport – ein anderer Ansatz bei den Geschlechtern?

Statista fragte Männer nach Ihren Interessen, auf dem ersten Platz mit 44 % ist „Sport“. Bei Frauen ist «Gesunde Ernährung und gesunde Lebensweise» mit 46 % unter den Top Interessen. Schon an der Bezeichnung der Tätigkeiten merkt man, wie unterschiedlich die Bilder für die Freizeitbeschäftigung bei den Geschlechtern sind.

Dem Alltag entfliehen

Die 32-jährige Anna ist die Leiterin einer IT-Abteilung. Sie hat viel Verantwortung in ihrem Arbeitsalltag und ist bei Fragen und Problemen oft der Ansprechpartner. Anna liebt ihren Job, aber sagt, «dass die Verantwortung und das sie anstrengt». Wenn Anna abgehetzt von einem stressigen Büro Tag in Simones Yogaraum kommt, nimmt sie erstmal in den ersten Asanas (so werden die Übungen im Yoga genannt) wahr, wie gestresst sie ist. «Da fängt Yoga für mich schon an», sagt sie «bewusst auf meinen Körper zu hören und zu merken, dass ich gestresst bin.» «Durch den Fluss der Übungen und das bewusste Atmen kann ich mich im Laufe der Stunde immer besser auf mich konzentrieren», erklärt sie. Simone betont in ihren Kursen immer wieder, «dass Yoga eine Bewegungsform ist, bei der es nicht nur um den Körper, sondern auch um den Geist geht.» Die Körperübungen, die sogenannten Asanas, die meist fließend sind, werden mit Atemübungen (Pranayama) und Meditation ausgeführt. «Mit dieser Spiritualität im Sport aber können Männer wohl wenig anfangen», meint Simone.

Der Hahn im Korb – Jürgen

Der Hauptgrund für ihre Ablehnung ist, «dass sie ein falsches Bild von Yoga haben», sagt Jürgen. Er praktiziert seit 3 Jahren Yoga. Und fügt hinzu «dabei gibt es verschiedene Arten von Yoga, vor allem das dynamische Yoga, das auf das Training der Tiefenmuskulatur abzielt. Es ist anstrengend und fördert den Muskelaufbau. Und das ist das, was Männer doch eigentlich wollen. Aber was ist es, dass nur wenige Männer die Yogakurse besuchen? Es ist vor allem das Klischee, «Yoga ist nur was für Weiber», das immer noch in Männerkreisen kursiert. Vielleicht aber haben die Männer auch nur Angst, neben den geübten und gelenkigen Damen eine schlechte Figur zu machen. «Denn der Lotussitz will schließlich gelernt sein. Es schafft nicht jeder, im Schneidersitz die Füße auf den Oberschenkel zu legen und dabei auch noch gut auszusehen und zu lächeln», gibt Simone schmunzelnd zu denken.