Hicham Radouani arbeitet als Planungsingenieur in Weiden. Doch der 42-jährige hat vor seiner Studienzeit mit dem Verkauf von Drogen einen Teil seines Lebensunterhalts finanziert. Er offenbart wie er vom Drogendealer zum Ingenieur wurde.

Herr Radouani, wie lange haben Sie als Drogendealer ihr Geld verdient?
Ungefähr zehn Monate.

Welche Drogen haben Sie damals verkauft?
Marijuana oder Hash.

Und wie sind Sie dran gekommen?
Da ich früher selbst Marijuana konsumierte, entstand in meinem Bekanntenkreis viel Kontakt zu Personen, die mir entweder Stoff besorgt haben oder nur mitgeraucht haben. Daher war es für mich nicht schwer dran zu kommen.

Haben Sie davon leben können?
Naja nicht ganz, denn ich verkaufte nur in kleinen Mengen. Also durchschnittlich um die 800 Euro monatlich habe ich verdient. Je mehr man verkauft, desto mehr Geld kann man verdienen und desto größer ist das Risiko erwischt zu werden.

Heißt das, Sie waren nicht risikofreudig?
Nein, überhaupt nicht.

Warum haben Sie Drogen verkauft?
In der Zeit war ich frisch verheiratet, meine Frau ging aber noch zur Schule und wurde noch von ihren Eltern unterstützt. Ich bekam keine Arbeitserlaubnis für Deutschland, da das erste Jahr als Integrationsphase vorgesehen wurde, wo nur Deutschkurse besucht werden sollten. Mit der Unterstützung des Staates und den Eltern sind wir aber nicht über die Runden gekommen. Als Hausherr fühlte ich mich dafür verantwortlich und nutzte meine Kontakte, um mit Drogen mehr Geld nach Hause zu bringen. Für mich war das die einzige Lösung, auch wenn ich damit nicht zufrieden war.

Wusste Ihre Frau von Ihren illegalen Geschäften?
Sie erfuhr erst davon, als die Kriminaleinheit der Polizei unsere Wohnung stürmte und über 200 Gramm Marijuana fand. Diese Nacht werde ich niemals vergessen!

Wie kam es dazu?
Auf meinem Heimweg sprach mich ein Jugendlicher auf der Straße an. Er tat so, als würde er mich über einen Bekannten kennen. Er hat mir auch dessen Namen genannt. Er fragte mich, ob ich was für ihn habe. Ich habe nicht lange überlegt, ging zu der Wohnung hoch und holte ihm, was er brauchte. Vier Stunden danach tauchte die Polizei auf, durchsuchte die Wohnung und nahm mich mit.

Wie ist es dann weitergegangen?
Nach der Untersuchungshaft wurde ich mit sechs Monaten Freiheitsstrafe und über tausend Euro Geldstrafe verurteilt.

Empfanden Sie die Strafe als gerecht?
Ja, in meinem Heimatland Marokko würde man wegen so einer Tat über fünf Jahre im Knast sitzen müssen. Ungerecht fand ich, dass mir ein Abschiebungsurteil direkt nach meiner Entlassung mitgeteilt wurde. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet.

Und wurde dieses Urteil auch wirklich vollstreckt?
Ja, obwohl ich am Anfang mit dem Urteil nicht einverstanden war und einfach abtauchen wollte, folgte ich dem Rat meines Anwalts und stellte mich freiwillig der Polizei. Diese Entscheidung hat mein Leben verändert.

Was meinen Sie genau damit?
In der Zeit in Marokko ist vieles vorgefallen, was mich zum ständigen Nachdenken brachte. Ich arbeitete in meinem damals gelernten Beruf als technischer Zeichner in Vollzeit und bekam gerade mal die Hälfte des Gelds, was ich in Deutschland einfach so vom Amt bekam. Ich half meinem Vater bei allem, obwohl er meinen Kontakt vermied wegen dem was ich in Deutschland getan habe. Doch bevor er uns für immer verließ, sagte er zu mir: «Ich würde es dir verzeihen, wenn du mir versprichst, dass du dir dein Geld nur mit harter Arbeit verdienst!» Nach diesem Gespräch bereute ich vieles, unter anderem meinen Benehmen gegenüber meiner Frau.

Sie und Ihre Frau blieben die ganze Zeit ein Paar?
Ja, meine Frau stand trotz allem immer noch hinter mir, obwohl ich ihr vieles verheimlicht habe. Sie kämpfte weiter mit den Behörden, bis mir nach zwei Jahren ein Aufenthaltstitel wegen Familienzusammenführung zugesprochen wurde.

Wie war dein Leben, nachdem du wieder nach Deutschland gekommen bist?
Mit Träumen und mit neuer Lebenseinstellung kam ich nun wieder in die Republik. Ich habe direkt eine Ausbildung als technischer Zeichner angefangen und rechtzeitig erfolgreich abgeschlossen. Danach übte ich den Beruf ein Jahr lang aus und entschied mich dann mein Abitur nachzuholen.

Was hat Sie angetrieben mit 36 Jahren das Abitur nachzuholen, obwohl Sie mit Ihrem Ausbildungsberuf auch ins Berufsleben einsteigen konnten?
Bei meiner Arbeit als technischer Zeichner war mein Vorarbeiter zehn Jahre jünger als ich. Wir haben fast dieselben Aufgaben durchgeführt, wofür er aber doppelt so viel verdient hat wie ich. Der einzige Unterschied war, dass er einen Bachelor-Titel hatte.

War also alleine das Geld Ihre Motivation?
Zum größten Teil ja, aber ich wollte auch vielen beweisen, dass ich es schaffen kann einen Akademiker-Abschluss zu machen; vor allem meinem Chef während meiner Ausbildung, der immer an meine Fähigkeiten gezweifelt hat.

Hätten Sie Ihre Lektion im Leben lieber anders gelernt?
Ich sage mal so: Es kommt, wie es kommen muss. Aber natürlich hätte ich meine Lektion lieber anders und vor allem früher gelernt. Deswegen rate ich jedem davon ab, in Berührung mit Drogen zu kommen. Und eins noch: Es ist nie zu spät im Leben etwas zu schaffen.