Raffael Riedl ist Vollzeitangestellter in der IT-Branche und nebenberuflich zweifacher Barbesitzer in Regensburg. Klingt erst mal nach viel Arbeit. Warum arbeitet er freiwillig mehr als nötig?

Es ist freitags 21.00 Uhr: Hinter einem kleinen Tresen in einer Ecke baut Raffael das Musik-Equipment in der Bar Mono auf. Er verbindet Kabel, dreht Knöpfe, stellt das Mischpult ein. Er sieht ein wenig müde aus. Raffael geht hinter die Bar und nimmt sich ein Bier. Ein Feierabend Bier irgendwie, denn er hat heute in seinem Vollzeitjob in der IT-Branche schon acht Stunden gearbeitet. Jetzt ist für ihn erst mal Schichtbeginn nach Feierabend. Vor drei Uhr nachts wird Raffael heute kein zweites Mal Feierabend machen können. Er legt heute als DJ im Mono auf. In seinen kleinen Pausen wird er 500 Meter weiter zu Bar Mira gehen und dort nach dem Rechten sehen, Stammgästen die Hände schütteln und im Keller Bier anzapfen.

Die Gastronomie – (k)eine Geldgrube?

«Viele haben den Traum, eine Bar zu eröffnen – so auch ich»­, sagt Raffael. Den eigenen Traum zu leben und etwas zu riskieren, das klingt für die meisten Menschen erst mal unvernünftig, vor allem in finanzieller Hinsicht. «Als Angestellter bekommt man jeden Monat einen fixen Betrag überwiesen, damit kann man dann kalkulieren. Als selbstständiger Gastronom ist das nicht so. Oft kommen unvorhergesehene Ausgaben auf einen zu», erklärt Raffael. Klingt logisch – aber entspricht es nicht dem Grundgedanken von Sicherheit, jeden Monat finanziell abgesichert zu sein? Hat Raffael deswegen noch seinen Vollzeitjob, um «über die Runden» zu kommen? In Deutschland sprechen wir nicht wirklich gerne über Geld. Sich öffentlich über Honorare und Einkommen zu unterhalten, ist ein No-Go. Raffael äußert sich nicht zu den Einnahmen beider Bars, meint aber: «Wenn man sich nicht die Luxusjacht gönnt und keinen Porsche vor die Tür stellt, kann man davon schon Leben.» Er ist also nicht des Geldes wegen selbstständig, aber warum dann?

Raus aus dem öden Arbeitsalltag

Eine Statistik zeigt: Es gibt verschiedene Motivationsfaktoren, die für einen Selbstständigkeit sprechen. 88 Prozent der befragten wollen beruflich erfolgreich sein, 87 Prozent wollen unabhängig sein und 82 Prozent wollen etwas Eigenes machen. «Ich hatte damals, als ich das Mono übernahm, das reine Angestelltendasein satt und wollte was Eigenes machen», erzählt Raffael. Wenn er von Mono und Mira erzählt, leuchten seine Augen. Er schwärmt von dem großartigen Gewölbe im Mira, wie gemütlich es dort sei und wie man dort schöne Abende mit Freunden verbringen könne. Stolz erzählt er vom Bau des Tresens im Mono und den Gästen die die Musikkneipe erst zu dem gemacht haben, was sie ist.

Die berufliche Zweigleisigkeit ist anstrengend

Teilweise hat man 16- Stunden-Arbeitstage auf dem Buckel und schlägt sich Nächte um die Ohren. Denn das Lager muss befüllt werden, Fässer und Getränkekisten müssen von A nach B getragen werden. Raffael ist 44 Jahre alt. Jeder, der das hört ist überrascht. «Du bist doch maximal 30!» bekommt er oft zu hören. Die Gastronomie scheint ihn fit zu halten. Trotzdem weiß er: «Das ist nichts, was ich mein ganzes Leben lang machen möchte bzw. auch nicht kann; denn das ist ganz schön anstrengend.» Wenn die Gastronomie ihm zu viel wird, kann er sich jederzeit wieder auf seinen Angestellten-Job konzentrieren. «Ich arbeite gerne in der IT, schließlich habe ich das auch studiert. Es ist zwar ein völlig anderer Bereich als die Gastronomie, aber ich mache es auch gerne.»

Wozu das alles?

Andere Menschen glücklich machen ist ein weiterer Motivationsfaktor im Hotel- und Gastronomiebereich, kann man der Statistik entnehmen. Immerhin sehen das 65 Prozent der befragten noch als wichtigen Motivationsgrund an. Das ist vermutlich der Hauptgrund, warum Raffael selbstständig ist. Er macht Gäste und Personal glücklich. Zum einen ist er ein humorvoller, entspannter, charismatische und offener Mensch. Er hat Charaktereigenschaften, die einen guten Wirt und Vorgesetzten ausmachen. Zum anderen hat er auch eine ruhige Art, die ihm hilft, einen kühlen Kopf zu bewahren, wenn mal wieder augenscheinlich alles den Bach runter geht. Solche Soft Skills sind nicht nur in der IT-Branche von Vorteil, sondern beschreiben ebenso einen guten Wirt.

Jobs im Wandel

Einer Manpower-Studie zur Jobzufriedenheit nach ist gerade einmal jeder zweite Deutsche wirklich glücklich mit seiner beruflichen Situation. Ganze 44 Prozent der Arbeitnehmer gaben in der Umfrage an, dass sie sich vorstellen könnten, innerhalb der nächsten zwölf Monate ihren Job zu wechseln. Doch einmal im neuen Unternehmen angekommen, ist die anfängliche Freude oft schnell verflogen, Frust und Unzufriedenheit machen sich abermals breit.

Alternative – Job enlargement statt Job change

Nicht für alle Menschen kann ein einziger Beruf die komplette berufliche Erfüllung darstellen. Um sich selbst verwirklichen zu können, bedarf es manchmal eben zweier Jobs. Nicht immer lassen sich Menschen nur in eine Berufsschublade stecken. Die persönliche berufliche Zufriedenheit ist möglicherweise zu komplex für die meisten angebotenen Arbeitsmodelle. Deshalb sind viele Menschen nebenberuflich selbstständig, um Zufriedenheit im Job zu erlangen. Schließlich hängen berufliche und private Zufriedenheit eng zusammen.