Sein Ziel ist extrem. Mit Siebzehn ging er das erste Mal in ein Fitness-Studio. Fünf Jahre später hat sein Körper die natürliche Grenze erreicht. Die Muskeln wachsen nicht weiter – trotz härterem Training. Jetzt spritzt er sich Testosteron, um noch stärker zu werden.

Du bist jetzt 22.

Genau.

Und seit wann machst du Kraftsport?

Seit fünf Jahren.

Also mit siebzehn angefangen. Und wann warst du auf deinem ersten Wettkampf?

Ich selber habe noch keinen Wettkampf mitgemacht, aber nächstes Jahr ist es soweit. Da befinde ich mich gerade in der Vorbereitung. Das heißt, jeden Tag das selbe essen, abwiegen und so weiter.

Du stehst dann also wirklich mit der Küchenwaage da und misst ab?

Genau. Da gibt’s jeden Tag Hähnchen und Fisch, mit Reis, Brokkoli. Und in der Früh Haferflocken mit acht Eiklar.

Wird das auf Dauer nicht ein bisschen einseitig?

Ja! Aber es ist jetzt nur für den Wettkampf. Das wird jetzt erstmal getestet, wie mein Körper drauf reagiert – ohne Milchprodukte. Ich bin in einem sehr hohen Defizit: 1.400 Kalorien. Und dann wenn der richtige Wettkampf kommt, weiß man, worauf man sich einstellen muss.

Du befasst dich also intensiv mit der Materie?

Deswegen studiere ich jetzt auch. Weil es mich einfach so fasziniert wie der Körper funktioniert. Und es macht mir Spaß den Leuten dabei zu helfen. Selber trainiere ich sechs Mal in der Woche, das geht nicht mehr ohne. Das ist einfach mein Hobby, mein Leben.

Stark. Und was ist dein Ziel dabei?

Mich selber zu pushen, zu fordern, bis es praktisch nicht mehr geht. Zu schauen, wie weit ich gehen kann, zu was mein Körper in der Lage ist. Wie ich bei einem Wettkampf im Vergleich zu den anderen abschneide und einfach jeden Tag versuchen, besser zu sein als vorher.

Also ist der Weg, auf dem du bist, das eigentliche Ziel?

Genau. Du kannst ja sagen, so ich hör‘ jetzt auf und mir passt das so. Aber wenn ich ein Ziel erreicht habe, finde ich gleich etwas wo meiner Meinung nach noch Verbesserungspotenzial ist und dann mache ich weiter.

Gibt es bei den Wettkämpfen Dopingtests?

Ja, es kommt drauf an bei welchem Wettkampf man mitmacht. Aber meistens gibt es diese Tests. Aber da man weiß, wie lange eine Substanz im Körper ist… Wenn du früh genug vorher absetzt, dann giltst du als nicht gedopt. Obwohl eigentlich die meisten schon was intus haben. Sie haben ihre momentane Form also mithilfe von Stoff erreicht, werden bei dem Test aber als «natural» angesehen.

Du befasst dich mit dem Zeug jetzt seit wann genau?

Seit eineinhalb Jahren, was Doping betrifft. Ich finde es interessant, zu wissen, wie Hormone den Körper verändern. Was sie bewirken, aber auch was für Nebenwirkungen sie haben.

Das ist ja auch ein großer Punkt dabei.

Genau. Das heißt… Das schlimmste an dem Zeug ist ja, wenn man keine Ahnung hat. Dann nimmt man es einfach und man weiß nicht, was einen erwartet und wie man dagegen ankämpfen kann.

Die Unwissenheit ist also das Kernproblem.

Und dadurch, dass es ja illegal ist und oft irgendein zusammengebrautes Zeug von irgendwem. Du weißt nie was genau drin ist. Das finde ich sehr problematisch.

Du hast aber selber auch schon was davon ausprobiert?

Ja.

Irgendwas spezielles?

Die Basis davon ist Testosteron: «Enanthat» heißt das. Das ist das harmloseste daran, weil es ein körpereigenes Hormon ist. In der Dosierung, in der ich es genommen habe, hat man ein gutes Wirkung/ Nebenwirkungs-Profil.

Dieses Wissen hast du aus dem Schwarzen Buch?

Ja, aus dem Schwarzen Buch, von Kollegen die das schon gemacht haben und Internet. Ich habe mich damit ungefähr ein halbes Jahr vorher beschäftigt, bevor ich mich dazu entschlossen habe. Testosteron wird allgemein als das Einstiegs-Dopingmittel betrachtet. Weil es einfach noch relativ human ist. Ich hab‘s dann auch selber genommen, mit einem Freund zusammen. Man hat tatsächlich geringen Kraftzuwachs. Nebenwirkungen hatten wir auch keine, zumindest keine äußerlichen. Wenn die Wirkung gering ist, ist auch die Nebenwirkung gering, das war mal eine Erfahrung. Momentan in der Wettkampfvorbereitung habe ich wieder damit angefangen – vor vier Wochen. Die Wirkung setzt in vier bis sechs Wochen nach der ersten Einnahme ein.

Also merkst du jetzt langsam, dass sich was verändert?

Naja, der Pump, also die Durchblutung wird ein bisschen besser. Und man schwitzt ein bisschen mehr. Wenn man in der Nacht dann schwitzt ist das unangenehm aber nichts Dramatisches. Du bildest dann mehr rote Blutkörperchen und dadurch eine bessere Durchblutung. Wenn du trainierst pumpt sich dann der Muskel auf und fühlt sich besser an.

Es geht also auch um das Gefühl, mehr leisten zu können?

Genau. Also du merkst es nicht explosionsartig, so: «Ich hab jetzt mehr Kraft!», sondern du bist ein bisschen motivierter, aggressiver im Training. Diese psychische Komponente. Dieses «Ich habe jetzt etwas intus, jetzt bin ich stärker.» Obwohl es noch gar nicht wirkt, aber dann doch wieder mental.

Du hast gerade gesagt du wirst aggressiver. Nur im Training oder auch so?

Also mein näheres Umfeld, wie mein Bruder, der merkt, dass ich gereizter bin als sonst. Aber da ich so eigentlich ein sehr ruhiger Mensch bin, ist es total normal. Dieses Level an Aggression fällt eigentlich nicht weiter auf. Zu anderen Menschen bin ich genauso nett wie sonst auch. Man merkt es auch nicht so. Es sind kleine Sachen wie Radiomusik im Auto, das regt mich ein bisschen mehr auf als sonst. Weil ich das sowieso schon nicht leiden kann. Aber ich würd‘ jetzt keinem einfach so auf die Fresse hauen.

Du hast das also sehr bewusst gemacht.

Ja, ich habe mit der geringst möglichen Menge angefangen. Und nächste Woche gehe ich wieder zum Arzt, berede mit ihm nochmal alles, wie ich mich ernähre und lass mich durchchecken – Blutwerte, Leberwerte, alles.

Hast du schonmal von «Muskeltumoren» gehört? Angeblich auch eine Nebenwirkung bei denen ein Muskel beginnt unkontrolliert zu wachsen.

Das kenne ich nur von Synthol. Das lässt zwar nicht den Muskel wachsen, aber es wird darunter injiziert und bläht sich dann auf, sieht ziemlich unnatürlich aus. Bei Hormonen geht man davon aus, dass sie das Krebswachstum fördern. Also wenn du Krebs hast, solltest du es überhaupt nicht nehmen. Da dein Körper in einem anabolem Zustand ist, noch mehr anabol als sonst. Das heißt, er befindet sich im Aufbau und wenn sich der Muskel besser aufbaut passiert dass auch mit allem anderen – auch Tumoren.

Kann man von Testosteron abhängig werden?

Also man sagt, wenn du es absetzt, vermisst du dieses Gefühl der Stärke. Man ist ein bisschen schlapper. Und dann kommen viele und meinen ich gebe mir gleich die nächste Kur. Bei mir ist das aber nicht der Fall. Ich hab‘s abgesetzt und hab gemerkt, die Power geht raus. Aber du musst deinem Körper die Möglichkeit geben, die eigene Hormonbildung wieder anzukurbeln. Damit sich das das alles wieder einpendelt, bevor man dann wieder eine Kur macht. Das Schlimme ist der Missbrauch, also kontinuierlich durch Kur machen. Oder noch viele andere Steroide dazu, die dann alle wieder eine andere Nebenwirkung haben. Dann hast du einen Chemiecocktail in dir drin. Das ist das was die Leute dann letztendlich kaputt macht. Sie machen zu lang, oder zu viel von allem. Das ist dann ein Problem.

Also hast du dann ein neues Medikament in dir selbst zusammengemischt?

Ja, das geht dann auf die Leber… Das machen zwar viele für den Wettkampf, dass du ein zwei Dinge kombinierst. Das geht auch noch – aber das machst du dann nur ganz kurz, vor dem Wettkampf. Vier, sechs Wochen davor, damit du vielleicht ein bisschen härter wirkst. Ich kenn‘ mich da auch noch nicht so ganz gut aus, weil ich eben noch keinen Wettkampf mitgemacht habe. Aber von dem, was ich mitbekommen habe, nimmt man dann meistens ein Steroid dazu: «Trenbolon». Das sorgt dafür, dass du ein bisschen plastischer wirkst. Das nimmst du aber nur sechs Wochen, dann nicht mehr, dann ist Wettkampf. Danach regenerierst du den Körper wieder. Von Testosteron an sich hast du, wenn du es niedrig dosierst, überhaupt keine Nebenwirkungen.

Aber ist es nicht kontraproduktiv, wenn die Ausdauer abnimmt?

Im Krafttraining brauchst du nicht so viel Ausdauer. Aber ich mache langsames Cardio (Training am Laufband) dazu. Damit einfach die Durchblutung und Sauerstoffversorgung besser wird. High Intervall-Training, also kurze schnelle Sprints, sollte man vermeiden. Weil dadurch, dass alles besser wächst, wächst auch der Herzmuskel mit. Und das bedeutet, dass der eine Herzmuskel besser mitwächst als der andere und dann hast du eine Dissonanz. Die Leute die sich nicht auskennen, die hauen sich irgendwas rein, machen dann noch den falschen Sport dazu – und dann führt das zwangsläufig dazu, dass man Jahre später Probleme mit dem Herzen hat.

Da bist du dir also relativ sicher, dass du in Zukunft keine Beschwerden haben wirst?

Solange ich das alles mit Sinn und Verstand mache und mit dem Arzt abkläre. Also klar ist es nicht gesundheitsförderlich. Aber man kann die Nebenwirkungen in Grenzen halten. Andere rauchen oder trinken Alkohol. Nur weil die legal sind, heißt es nicht, dass die gesünder sind. Rauchen vor allen Dingen. Rauchen finde ich persönlich, wenn ich mir jeden Tag drei, vier Kippen anzünde gefährlicher, als mir alle fünf Tage Testo zu injizieren. Das eine ist ein körpereigenes Hormon, das andere zerstört mich zwangsläufig. Von Testosteron nimmt man bisher nur an, dass es diese Sachen wie Krebs fördern könnte. Aber beim Rauchen, weiß man explizit, dass es Lungenkrebs viel wahrscheinlicher macht, und die Lebenserwartung stark verkürzt. Es ist halt legal und deshalb für die meisten Menschen OK. Weil Testosteron illegal ist, sagt jeder, es ist schlimm oder gefährlich. Es ist gefährlich, wenn man es falsch macht, ja. Aber wenn man es mit dem Arzt abspricht und alles kontrolliert macht, denke ich, ist es vertretbar.

Also wieder wie bei vielem: Die Menge macht’s.

Genau. Die Menge macht das Gift. Und vor allem, wenn man sich jetzt nicht für den Wettkampf vorbereiten möchte, oder bestimmte Ziele hat, und es einfach so macht, um halt ein bisschen besser auszusehen, dann ist es ein Schmarrn, finde ich. Warum sollte ich mir sowas antun, nur damit ich im Sommer mal kurz ein Sixpack habe. Nur wenn du dich auf den Wettkampf vorbereitest ist die Diät so extrem hart. Jeden Tag exakt abwiegen, dasselbe Essen. Dann hast du ein extremes Kaloriendefizit. Ohne den Stoff schaffst du das praktisch gar nicht. Und vor allem baut sich da auch so viel Muskulatur ab. Das heißt wenn du dann auf der Bühne noch halbwegs muskulös sein willst, dann brauchst du das. Viele, die muskulös sind und nicht gerade 70 Kilo wiegen, die haben schonmal was genommen, oder nehmen gerade was. Natürlich nicht alle, aber der ein oder andere mit Sicherheit.

>Moment. Muskulatur baut sich ab?

Ja, wenn du im Kaloriendefizit bist – und beim Wettkampf bist du in einem sehr hohen Kaloriendefizit, weil du ja sehr wenig Körperfettanteil haben willst, ist es für den Körper so: Muskulatur verbrennt am Meisten, also versucht er das abzubauen. Jetzt kann ich durch hohen Eiweißkonsum und schweres Training den Muskelabbau verhindern. Der Körper denkt, es ist überlebenswichtig. So. Jetzt habe ich aber das Problem, dass ich nicht schwer trainieren kann, wenn ich 2000 Kalorien im Minus bin. Nehme ich Steroide, verbessere ich meine Proteinsynthese, meine Muskeln bleiben dadurch erhalten und ich kann länger schwer trainieren.

Was machst du, wenn du dein Studium fertig hast?

Ich will irgendwo im Sportsektor arbeiten. Entweder selbständig, also ein eigenes Fitness-Studio, oder für eine Agentur arbeiten. Das Studium sind 70% Management und 30% Sport – VWL, BWL und das auf den Sportsektor ausgerichtet. Und jetzt sammle ich noch ein bisschen Erfahrung als Trainer.

Hast du irgendwelche Vorbilder?

Ja, der Deutsche David Hoffmann zum Beispiel. Es gibt ja diese ganz krassen Bodybuilder, die nur noch ein Masse-Berg sind. Und dann gibt’s noch die bisschen ästhetischen, ähnlich wie Arnold Schwarzenegger. Früher hatte man schmale Taille, breite Schultern. Heute, da sich die Profis Wachstumshormone – Insulin und sowas – spritzen, wachsen die Organe mit und man hat so aufgeblähte Bäuche. Nicht mein Schönheitsideal.