Zwei Frauen, zwei Leben. Bei beiden spielt Musik eine zentrale Rolle – wenn auch auf komplett unterschiedliche Arten. Während Katrin ihren Angststörungen mit Musik die Stirn bietet, kämpft Lisa-Marie von ihrem Traumberuf als Orchester-Dirigentin.
Diese Engel halfen mir zurück ins Leben
Katrin lächelt zufrieden, als sie ihren Koffer aus dem Schrank holt. Bisher war Reisen für die 20-Jähige ein unüberwindbares Hindernis. Unerwartet brachte eine Musikgruppe Licht in ihren düsteren Alltag. Die Melodien und Texte der Gruppe «Engelsgleich» halfen ihr dabei, die furchtbaren Ängste zu überwinden.
Katrin lächelt zufrieden, als sie ihren Koffer aus dem Schrank holt. Reisen war für die sympathische 20-Jährige bisher unmöglich. Zehn Jahre litt sie an einer Angststörung und konnte das Haus nicht verlassen. «Es fing nach dem Tod meines Opas plötzlich an», erzählt Katrin. «Jede Reise wurde auf einmal zur Qual. Allein der Gedanke, irgendwo anders schlafen zu müssen, schnürte mir die Kehle zu.» Vor allem Klassenfahrten wurden eine echte Herausforderung. «Nachts weinte ich mich in den Schlaf. Mir war schlecht, ich konnte tagelang nichts essen.» Psychologen diagnostizierten eine posttraumatische Störung. Für Katrin ein Albtraum: «Ich musste viele Unternehmungen absagen, weil ich Angst hatte, dass es mir wieder schlecht gehen könnte.» Pflanzliche Beruhigungsmittel halfen ihr, wenn sie zum Reisen gezwungen war. «Ich dachte, es wird immer so bleiben.» Doch als die Musikgruppe «Engelsgleich» in ihr Leben trat, veränderte sich alles.
Die bezaubernden Sängerinnen von Engelsgleich gestalten normalerweise Hochzeiten. Doch sie fingen Katrin mit ihren Texten und Melodien auf. «Sofort war ich ein großer Fan. Die Lieder haben mich berührt, gaben mir Mut», erzählt die junge Frau. «Dank dieser Engel fand ich ins Leben zurück.» Lange hörte die Hessin die Songs auf CD und online. Doch dann fasste sie blitzartig einen Entschluss: «Ich wollte die Engel unbedingt persönlich kennenlernen.» Ohne darüber nachzudenken, tat sie genau das, was sonst unmöglich war. Sie packte ihren Koffer, setzte sich in den Zug und fuhr nach Wien zu Engel Catherine. «Am Anfang ging es mir nicht gut. Doch je näher ich den Engeln kam, desto mehr wich die Angst der Vorfreude.» Das erste Treffen mit Catherine und den anderen Musikerinnen war für Katrin wie Weihnachten. «Die Sängerinnen sind einfach so wunderbar. Für mich sind sie tatsächlich Engel.»
Seit diesem Treffen vor einem Jahr hat sich Katrins Leben komplett verändert. «Engelsgleich» schaffte das, woran sich die Ärzte die Zähne ausbissen. Katrins Trauma ist aufgelöst, sie führt wieder ein normales Leben mit Reisen und Zukunftsplänen. Mittlerweile erfüllte sie sich einen weiteren Traum: Sie besuchte auch die Engel an den beiden weiteren Standorten in München und Hamburg. Derzeit absolviert sie ein Praktikum in Litauen. Über 1500 Kilometer entfernt von zu Hause – das wäre bis vor Kurzem noch undenkbar gewesen!
Diagnose Untergewicht – platzt der Traum vom Musikstudium?
Durch Abnehmen zum Wunschgewicht. Der Traum vieler wird für Lisa-Marie zum Schicksalsschlag. Ihr Herzenswunsch, bei der Bundeswehr Orchesterleitung zu studieren platzte, als der Amtsarzt Untergewicht diagnostizierte. Um ihr Vorhaben dennoch Realität werden zu lassen, blieb ihr nur eine Möglichkeit: Zunehmen.
Lisa-Maries jahrelanger Wunsch war es, Orchesterleitung bei der Bundeswehr zu studieren. Der Amtsarzt machte ihr einen Strich durch die Rechnung – die Diagnose: Sechs Kilogramm zu leicht. Aber warum möchte sie unbedingt bei der Bundeswehr studieren? «Als Musikerin beim Bund hat man die besten Perspektiven, einen schönen Job und vor allem ein geregeltes Einkommen», erzählt die 19-jährige Ebermannsdorferin. Nach dem Studium kann sie Dirigentin der verschiedenen Bundeswehr-Orchester werden. Somit hätte sie einen sicheren Job und eine Offizierslaufbahn in Aussicht. Ein künstlerisches Musikstudium ohne Gewichtsvorgaben wäre der jungen Künstlerin zu riskant.
Dabei ist sie musikalisch äußerst erfolgreich. Sie ist Leiterin des Vokalensembles «Vox Aeterna», das in Amberg und darüber hinaus sehr beliebt bei Musik-Begeisterten ist. Zur Erfolgsgeschichte des Ensembles zählen ausverkaufte Konzerte im Amberger Stadttheater und diversen Amberger Kirchen. Das Ensemble durfte auch bei einer Masterclass bei den King Singers in England mitwirken – als eines von nur sechs ausgewählten Ensembles in Deutschland. Nachdem sie zahlreiche Preise bei Wettbewerben mit der Querflöte gewann, scheint sie mehr als geeignet für ihr Traumstudium zu sein.
Warum gibt es überhaupt diese harten Auswahlkriterien? Auch für Musiker schreibt die Bundeswehr die dreimonatige Grundausbildung vor. Soldaten müssen mit einer schweren Ausrüstung bis zu 20 Kilometer am Tag laufen. «Es blieb mir nichts anderes übrig als zuzunehmen, um den vorgeschriebenen Body-Mass-Index zu erreichen», erläutert Lisa-Marie. Doch für das Vorhaben bleiben nicht einmal sechs Monate Zeit. «Von Juni bis September habe ich mir das Gewicht angefuttert», erzählt sie. Von nun an standen zahlreiche McDonalds-Besuche auf dem Programm. «Mir wurde von dem vielen Essen ganz schlecht.»
Mittlerweile ist sie im 3. Semester ihres Traumstudiums an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf und blickt schmunzelnd auf die Anfangshürden zurück. Die drei Monate McDonalds und drei Monate hartes Kampftraining in der Grundausbildung waren es wert, ihren Traum wahr werden zu lassen.