Das Getränk ist bestellt, die Speisekarte in der Hand. In einem gemütlichen Café inmitten der Großstadt München entspannen die Gäste. Sie lesen ein Buch, skizzieren im Collegeblock und unterhalten sich. Gegenüber am Tisch: eine Katze. Thomas Leidner eröffnete das erste Katzencafé Deutschlands und lädt ein in den «Katzentempel», bewohnt von sechs Vierbeinern.

Warum eröffnet man ein Café, in dem Besucher Kontakt zu Katzen haben?

Das Konzept des Katzentempels beinhaltet die vegane Küche und ein Zuhause für Katzen aus dem Tierschutz. Die Idee dahinter gibt es schon lange. Sie ist in Taiwan geboren und in Japan boomt es, aber ich wusste das damals gar nicht. Das habe ich in Wien entdeckt. Dort hat vor viereinhalb Jahren das erste Katzencafé Europas eröffnet und auf einer Reise habe ich das dort gesehen. Ich war früher Investmentbanker und wollte nicht mehr in meinem Beruf weiterarbeiten. Ich wollte was mit Tieren machen, aber ohne, dass man sie ausbeutet und da gibt’s nicht viele Möglichkeiten. Dann habe ich das gesehen und dachte, das ist cool. Allerdings würde ich den Fokus mehr auf die Gastronomie legen.

Was war dir an diesem Konzept besonders wichtig?

Die meisten Katzencafés sehen sich in meinen Augen eher als ein Zoo, sie verlangen Eintritt. Wenn du das machst, dann assoziiert das irgendwo, man hätte ein Recht auf Tiere und man hätte jetzt ein Recht darauf, dass man sie streicheln möchte. Die Katzen kommen, wenn sie wollen. Deswegen sagen wir: kein Eintritt und dafür eine gute, selbstgemachte Gastronomie. Bei mir hört der Tierschutz nicht bei den Tieren auf, sondern geht über die Lebensweise weiter – deshalb ein veganes Katzencafé. Wir wollen die Gäste nicht missionieren. Wir wollen ihnen einfach nur zeigen, wie lecker vegan sein kann und was es bedeutet.

Sind schon mal Besucher mit eigenen Haustieren hier hergekommen?

Ja, obwohl wir überall Regeln und Schilder haben. Dann kommt jemand mit einem Kinderwagen, du denkst, da ist ein Kind, aber auf einmal schaut ein Katzenkopf heraus. Es gibt sehr viele verrückte Leute. Dann merkst du einfach, die haben keine Ahnung von ihren Tieren, aber da intervenieren wir gleich. Manchmal verstehen die auch das Konzept nicht und Katzen sind sehr territorial. Wenn die in ein fremdes Territorium reinkommen, würden die sich zerfleischen.

Was begeistert die Gäste, dass sie wieder kommen?

Das ist eine Wohlfühloase für sie. Sie kommen her zum Entspannen. Du bist in der Stadt, das ist immer stressig und heutzutage ist es wichtig, dass man irgendwo einfach mal zwei Minuten für sich findet, um runterzukommen. Es ist ja bewiesen, dass Katzen den Blutdruck senken und viele kommen auch wegen dem Essen. Also wegen der ganzen Kombination: selbstgemachtes Essen, außergewöhnliche oder glutenfreie Sachen. Es gibt viele Leute mit Allergien und die sind bei uns richtig.

Wie reagieren die Katzen auf Stammgäste?

Ich hab Stammgäste, die kommen jeden Sonntag um zehn und Kater Gizmo weiß das. Sobald sie kommen, rennt er schon hin und begrüßt sie. Mit manchen Gästen spielen die Katzen auch gern, sobald sie fertig mit dem Frühstücken sind.

Die Katzen stammen aus dem Tierschutz. Wie seid ihr mit den Leuten dort in Kontakt getreten?

Meine Katzen stammten bisher alle aus dem Tierschutz. Ich bin mit Hunden und Katzen aufgewachsen, habe auch Ratten gehabt und die immer aus dem Münchner Tierheim geholt. Mir war klar, wenn ich so etwas mache, dann mit Tierschutzkatzen. Ich bin damals ans Münchner Tierheim rangetreten und hab dort gefragt, was sie von der Idee halten. Sie kannten mich schon und wussten, ich gehe gut mit den Tieren um. Allerdings konnten sie mir keine vermitteln, weil sie von Spendengeldern abhängig sind. Es gibt viele Mitglieder, die das vielleicht nicht von Anfang an gut geheißen hätten. Das Tierheim wollte erst neutral bleiben und hat mich an eine kleinere Organisation weitergeleitet, das war «Rassekatzen in Not e.V.» und von denen haben wir die Katzen.

Auf welche Eigenschaften hast du bei den Katzen achten müssen?

Also, ängstliche und schreckhafte Katzen bringen nichts. Die müssen schon einen offenen Charakter haben. So eine Art Rampensaucharakter, sag ich mal. Es hat keinen Sinn, wenn eine Katze die anderen Katzen hasst. Aber da verlasse ich mich einfach auf die Tierschutzorganisationen.

Wie gingen die Katzen zu Beginn miteinander um?

Gizmo hat als Protest erst mal schön auf die Fensterbank gekackt. «So, hier, ich akzeptiere keine Neuen.» Aber das hat sich gelegt. Ich hab eins gelernt: Greif nicht ein, wenn eine Hierarchie grade neu geordnet wird. Lass die Tiere machen. Die wissen ganz genau, wie sie das regeln. Gib ihnen die Möglichkeit, gib ihnen die Freiheit und dann ist alles cool.

Kam es schon vor, dass jemand eine der Katzen mitnehmen wollte?

Ja, klar. Über Balou haben sie schon oft gesagt, den würde ich gerne kaufen. Haben wir schon gehabt. Manche Menschen denken, alles ist kaufbar. Aber die Katzen werden natürlich nicht verkauft. Das sind Familienmitglieder. Sie sind halt wie meine Kinder.

Ich stelle es mir sehr schwierig vor, mit dem Café die Hygienevorschriften einzuhalten. Wie anstrengend ist es, diese Hürde bei den Behörden zu überwinden?

Das ist eine Challenge. Die haben da hohe Ansprüche und sind sehr, sehr streng. Du musst mit kreativen Lösungen den Behörden entgegentreten, da Beamte nunmal ihre Regeln haben. Sie wollen nicht davon abweichen und das so machen, wie es immer gemacht wird. Damit sie aus ihrer Komfortzone rausgehen, musst du echt einen sehr guten Grund haben. Du musst ihnen schon die Lösungen präsentieren und zeigen, dass alles idiotensicher ist.

Welche Probleme gab es vor Eröffnung des Katzentempels?

Ich habe keine Ahnung gehabt, mir ist der Koch weggelaufen, lauter so Sachen. Mir wurde ganz viel angedroht. Dass Leute mir vor meinen Laden kacken, weil das Tierquälerei ist. Aber man lernt dazu. Zum Beispiel stehen Verhaltensregeln in der Karte. Als ich eröffnet habe, dachte ich, jeder weiß doch bitte, wie man mit einer Katze umgeht. Respektvoll, nicht am Schwanz ziehen. Da muss ich doch keine Regeln hinmalen. Ja, was passiert? Die Leute sind selten dämlich und machen genau das, was jetzt in der Karte gezeigt wird. Das geht gar nicht. Deswegen sind wir sehr streng geworden. Ich schmeiß mittlerweile auch oft Leute raus, die sich nicht den Regeln entsprechend verhalten.

Wurden die Katzen irgendwie besonders erzogen, bevor sie hier ins Café konnten oder durften?

Nein, nein. Katzen kannst du nicht erziehen, sie machen, was sie wollen. Sie sind hergekommen, da war das ganze Lokal noch leer. Ich hab mit ihnen hier übernachtet und den Umbau mitgemacht. Ich musste aufpassen, dass Gizmo nicht in den Bohrer reinlangt. Die sind da so.

Glaubst du, dass sich noch weitere, ähnliche Konzepte hier in Deutschland durchsetzen können?

In Japan gibt es die Cafés mit Hunden, Katzen, Hasen und dergleichen, aber ich finde, nur mit Katzen geht’s. Hunde sind zu sehr auf eine Person fixiert und sie müssen Gassi gehen – schwierig; Hasen und auch Hamster sind Fluchttiere – Tierquälerei. Deswegen wird das nicht gehen. Katzen sind schön arrogant, schön selbstständig. Ihnen ist das vollkommen egal. Sie sehen dich als Bedienstete.

Spielt ihr mit dem Gedanken, noch mehr Katzen zu retten und aufzunehmen?

Nein. Das Ding ist, hier haben sich alle eingespielt. Es ist eine Familie, ein Rudel sozusagen. Und wenn du jetzt fremde, neue Katzen reinlässt, hast du immer diese Integrationsproblematik. Des Weiteren müssten sie sich auf die ganze Situation neu einlassen. Sie kennen das mit den Gästen nicht. Es gibt auch Katzencafékonzepte, wo du Katzen mitnehmen kannst, dort werden sie vermittelt. Wie soll das denn gehen? Jedes Mal ein neues Rudel, rein, raus, rein, raus. Kann ich mir nicht vorstellen, dass das gesund ist.

Wie reagieren Besucher, die ins Café kommen und nicht wissen, dass hier Katzen sind?

Kommt darauf an. Manche sagen «Ihh, widerlich. So unhygienisch.» Und manche sagen, sie haben eine Katzenallergie. Das ist schon ab und zu der Fall. Da hatten wir letztens erst eine Gruppe von vier Leuten, die hat sich hingesetzt und auf einmal laufen Katzen vorbei. Dann hat einer von ihnen eine Katzenallergie gehabt und sie sind wieder gegangen, aber das ist halb so wild. Die meisten Leute, die reinkommen, grinsen und gehen auch mit einem Grinsen wieder raus. Du musst nur aufpassen, dass Leute nicht mit falschen Erwartungen reinkommen. Sie denken sich, hier sind so viele Katzen und wollen sie streicheln. Wir sind zu Gast bei den Katzen. Wenn die Katzen wollen, kommen sie; wenn nicht, nicht. Wir sind kein Streichelzoo, wir sind ein Café und hier wohnen Katzen. Es können alle da sein, es kann auch keine da sein; einfach genießen und entspannen.