Vertrautes Heim gegen sterile Krankenhausgeburt oder klassische Geburt: Hausgeburtshebamme Helen und Krankenschwester Julia in einem Streitgespräch.

Mit 12 Jahren beginnt alles: Helen faszinieren schwangere Frauen und neugeborene Kinder. Heute ist sie 27 Jahre alt. Zu ihrem Beruf als Hausgeburtshebamme ist sie aber doch eher zufällig gekommen. Julia arbeitet seit einigen Jahren als Krankenschwester. Mit Leib und Seele hat sie dort bereits zahlreiche Geburten begleitet.

Was macht man als Hausgeburtshebamme?

Viele denken zuerst an die Arbeit mit Babys. Das ist aber der geringste Teil meiner Aufgaben. Meine Tätigkeiten beginnen mit Anrufen aufgeregter Frauen. Fünf Minuten vorher hatten sie noch ihren positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Dann greifen sie zum Telefon und ich beantworte ihnen die ersten Fragen.

Wie sieht ein Einsatz von dir aus?

Mein Gebiet hat einen Umkreis von 50 Kilometern. In diesem Raum bin ich mit meinem Auto unterwegs. Darin habe ich alle nötigen Utensilien: ein portables Ultraschallgerät, Nahtbesteck und Geburtsmedizin. Die schwangere Frau hat ihre Wohnung bereits selbst für die Geburt vorbereitet. Ich nehme zuerst eine Art Besucherrolle ein und mache mir ein Bild der Situation. Wenn die Wehen ordnungsgemäß und gleichmäßig eintreten, ist das immer ein gutes Zeichen für einen reibungslosen Geburtsvorgang. Auf Wunsch der Mutter untersuche ich die Herztöne des Kindes, um auch ganz sicher zu gehen.

Julia, was hältst du von einer Hausgeburt?

Nur jedes dritte Kind kommt als Spontangeburt auf die Welt und kann somit zu Hause entbunden werden. Bei allen anderen ist die Hilfe eines Arztes notwendig aufgrund von Zangengeburten, Dammschnitt oder Kaiserschnitt. Nur mit einer völlig risikofreien Schwangerschaft sollte man zuhause entbinden. Aber selbst dann gibt es keine Garantie für einen problemlosen Entbindungsprozess.

Was kannst du in kritischen Situationen tun, Helen?

Die Sicherheit von Mutter und Kind steht zunächst an erster Stelle. Komplikationen bei der Geburt sind sehr selten. Dennoch bin ich auch für diesen Notfall bestens gerüstet. Ich habe immer die in der Geburtshilfe üblichen Medikamente dabei, um beispielsweise unerwartete Blutungen behandeln zu können. Hebammen können auch den Kontakt zum nächstliegenden Krankenhaus und Rettungsdienst herstellen, um weitere Hilfe anzufordern.

Du schüttelst den Kopf, Julia. Warum?

Tritt ein Notfall während der Geburt ein, muss die Mutter schnell in eine Klinik gebracht werden. Dadurch geht lebensrettende Zeit verloren. Wenige Minuten sind bei Sauerstoffmangel des Kindes oder inneren Blutungen der Mutter entscheidend. Den einwandfreien gesundheitlichen Zustand eines Neugeborenen kann man nur in Kliniken feststellen. Monitoring des Kindes, Wehenschreiber und Vitalzeichen sind bei Hausgeburten nicht immer gegeben. Gefahren werden zu spät oder gar nicht erkannt!

Was empfiehlst du einer werdenden Mutter?

Man muss nicht unbedingt in eine Großklinik gehen, die sehr unpersönlich ist und keine schönen, gemütlichen Kreissäle besitzt. Es gibt genauso viele kleine Häuser, die sehr persönliche, wohnliche Säle und Vorbereitungszimmer eingerichtet haben. Die sehen auch nicht mehr nach dem üblichen Krankenhaus aus. Im Krankenhaus gibt es alle nötigen Geräte und Hilfsmittel, die den Müttern während der langen Wehenphase zur Verfügung gestellt werden. Ein Vielzahl an Möglichkeiten, wie Gymnastikbälle, Schaukelstühle oder große Badewannen, können genutzt werden. Das gibt es zuhause nicht.

Was stört dich noch an Hausgeburten?

Nach der Geburt ist die Hebamme zuhause und nicht 24 Stunden da, um die Mutter zu unterstützen. Im Krankenhaus hingegen sind rund um die Uhr erfahrene Schwestern da, die die Mutter beraten, anleiten und entlasten können. Zu Hause sind vielleicht der Mann oder andere Helfer da, aber welche Mutter kann schon schlafen, wenn im Nachbarzimmer das frisch geborene Kind weint. Alle wichtigen Untersuchungen in den ersten Lebenstagen werden an Ort und Stelle gemacht. Die Mutter muss nicht jeden Tag zum Kinderarzt gehen. Im Krankenhaus sind auch die hygienischen Bedingungen wesentlich besser. Die Geburt selbst ist eine wahnsinnige Sauerei und wer möchte das schon in seinem Schlaf- und Wohnzimmer haben.

Was kostet eine Hausgeburt, Helen?

Die Kosten für meine Hebammenleistungen werden von den Kranken- bzw. Gesundheitskassen übernommen. Ausnahme ist eine Akupunkturen und die Rufbereitschaftspauschale. Aber im Krankenhaus fallen ja auch 10 Euro täglich an.

Julia, kannst du das Vorurteil der Unpersöhnlichkeit in Krankenhäusern zurückweisen?

Das Argument tausend Leute stünden im Krankenhaus um einen herum und es sei keine private Atmosphäre, kann ich nicht bestätigen. Bei allen Geburten, die ich begleitet habe, waren lediglich eine Hebamme und eine Schwester anwesend. Selbst der Arzt kommt erst im letzten Augenblick dazu. Letztlich bleibt die Entscheidung jeder werdenden Mutter selbst überlassen. Dennoch bin ich – aus Sicherheitsgründen – der Meinung kein unnötiges Risiko einzugehen und würde das Krankenhaus immer einer Hausgeburt vorziehen.