Leise läuft der Fernseher der Familie Zehrtisch im Hintergrund. Brunhilde Zehrtisch (67) sitzt gemütlich auf ihrer braunen Ledercouch. Ihr Mann Helmut (71) setzt in der Küche einen Kaffee auf – Filterkaffee, schwarz. So mag er ihn am liebsten. Die beiden Rentner leben mittlerweile ein ruhiges Leben, doch nach fast 50 Jahren Ehe kann man sie verstehen. Ihre Wohnung liegt in der Vorstadt von Rheydt (NRW), umgeben von einer kleinen grünen Allee, im Herzen der Kleinstadt. Brunhilde oder Bruni, wie Freunde sie nennen, schaltet den Fernseher aus und bedankt sich bei ihrem Mann für den Kaffee. Ihr faltiges Gesicht ziert ein Lächeln.

Was sind denn die Grundlagen einer guten bzw. Langen Partnerschaft?

B: Das wichtigste ist das Vertrauen, ohne Vertrauen kann man mit der Person keine gute Beziehung führen. Geld ist auch eine schwierige Angelegenheit. Man muss sich in einer Ehe absprechen, um sich Wünsche zu erfüllen. Es wird zusammen gespart und gibt zusammen aus, wenn man das nicht regeln kann, kann es zu Streit kommen.
H: Und man muss über alles reden können. Probleme sollte man zusammen angehen und reden ist da der erste Schritt zur Lösung.

Wie verhält man sich in einen Streit denn am besten?

B: Ich war schon immer temperamentvoll, bevor man sich gleich trennt, sollte man mal eine Nacht drüber schlafen. Das ist unser Geheimrezept. Überstürzen bringt nichts und wenn man ruhig in einen Streit reingeht, kann man ihn viel besser lösen.
H: Über die Jahre haben wir uns öfters gestritten, logisch, aber am Ende haben wir uns immer wieder vertragen. Entweder man findet einen Kompromiss oder ändert sich.

Streitet ihr euch jetzt anders als früher?

H: Wir streiten auf jeden Fall weniger als früher. Man kennt sich und die Bedürfnisse des anderen und schafft es darauf einzugehen.
B: Kinder erziehen war früher ein großes Problem, aber das haben wir ja jetzt nicht mehr. Lacht. Finanziell gesehen mussten wir erstmal lernen miteinander umzugehen. Früher sind wir viel emotionaler mit Problemen umgegangen, heute gehen wir alles ruhiger an. Da spielt die Erfahrung und Altersweisheit mit.
H: Wir trennen uns auf jeden Fall nicht mehr wegen eines doofen Streits. Die paar Jahre gehen doch auch noch rum. Lacht.

Wird es denn nicht irgendwann langweilig, wenn man sich schon so gut kennt?

B: Auf keinen Fall! Heute sind es einfach andere Dinge, die man zusammen macht. Erstmal gabs die Kinder, die haben viel Zeit in Anspruch genommen. Mittlerweile haben wir da mehr Zeit für andere Dinge, zum Beispiel spazieren oder Essen gehen. Früher konnten wir das nicht immer zeitlich einrichten, mit Beruf und Haushalt. Jetzt im hohen Alter kann man sich Zeit für den Partner nehmen. Ich mach Sport und mein Mann lernt Englisch und unser gemeinsamer Freundeskreis trifft sich auch noch. Und über die ein oder andere Überraschung kann man sich ja auch freuen.

Ihr teilt also keine Hobbys miteinander?

H: Nicht wirklich, aber das ist auch nicht wichtig. Gegensätze ziehen sich eben an. Ich beschäftige mich mit Autos und Computern, während meine Frau lieber strickt. Da kann ich ja nicht mitreden! Aber wenn jeder seinen eigenen Weg geht, bleibts auch frisch.
B: Wir hören uns trotzdem gegenseitig zu, was der andere so zu erzählen hat und tauschen uns aus.

Wie überrascht ihr euch denn noch gegenseitig, wenn ihr so viel miteinander erlebt habt?

B: Die Kleinigkeiten zählen. Eine Tafel Schokolade ist manchmal besser als ein Urlaub. Die summieren sich auf, kleine Überraschungen halten das Leben spannend. Der Partner muss also nicht immer was Großes planen, das ist eher anstrengend als förderlich fürs glückliche Zusammensein. Ich erwarte nichts von meinem Mann, aber wenn er mal einkaufen geht und Kuchen mitbringt, macht mich das einfach glücklich.
Helmut ist eine gewisse Verlegenheit anzusehen.

Wie bleibt man noch glücklich miteinander?

B: Man muss jeden Tag dran arbeiten: Wünsche erfüllen, wenn man Streit hat, sollte man es ausdiskutieren und keine Geheimnisse aus den Gefühlen und Sorgen machen. Ein Partner ist dafür da, um so was zu lösen, eine Stütze im Leben.

Gibt es einen Geheimtipp, der auf lange Zeit hilft?

H: Man muss Spaß im Leben haben und mit seinem Partner über alles lachen können. Ein Lachen ist manchmal eben doch die beste Medizin. Albern sein geht auch im Alter noch gut.

Welchen Unterschied seht ihr zwischen eurer und der jüngeren Generation?

H: Früher war das bei uns so: Die Frau ist am Herd und kümmert sich um die Kinder und der Mann arbeitet. Egal wie schlimm die Situation mit dem Mann ist, man ist nun mal die Frau. Heute können die jungen Frauen gleichberechtigte Partner sein und eigenes Geld verdienen. Die sind resolut und können den Mann auch in die Wüste schicken, wenn sie wollen. Das gabs zu meiner Zeit nicht. Gewalt war auch ein schweres Thema, aber das wird ja immer besser in der heutigen Zeit.
B: Mein Mann sieht mich zum Glück schon immer als gleichwertigen Partner. Auch schon vor unserer Hochzeit.

Hat der Ehestatus etwas an der Beziehung verändert?

B: Nein, das hat nur gesetzlichen Wert auf dem Papier, im Kopf ist man entweder verliebt und glücklich oder nicht. An der Beziehung zu meinem Mann hat es nichts verändert.

Aber warum heiratet man dann überhaupt?

H: Man möchte für immer bei seinem Partner bleiben und die Unterschrift auf dem Papier gibt einem eine gewisse Form von Sicherheit und Dazugehörigkeit. Man fühlt sich nicht nur im Geiste verbunden, sondern hat es Schwarz auf Weiß als Beweis festgehalten. Wir freuen uns natürlich trotzdem über das Jubiläum nächstes Jahr!

Brunhilde steht auf und holt ihre Sporttasche hervor. In Kürze beginne ihr Fitnesskurs. Die ältere Dame verabschiedet sich noch gelassen und macht sich auf den Weg ins Fitnessstudio. Ihr Mann macht sich auf den Weg zur Stammkneipe. Vom Heiraten sind Katja (18) und Valentin (20) noch weit entfernt. Die beiden kennen sich erst seit zehn Monaten. Er ist beim Bund, sie macht momentan ihr Abi. Dadurch haben die beiden nur wenig Zeit füreinander. Trotzdem verbringen die zwei gerne und oft ihre Wochenenden miteinander. Die Vorstellung einer langen Partnerschaft teilen die beiden auf jeden Fall.

Was sind denn die Grundlagen einer guten bzw. langen Partnerschaft?

K: Humor und Vertrauen auf jeden Fall.
V: Zusammen über alles lachen muss sein. Ich find ähnliche Interessen aber auch wichtig. Dinge, die man gern tut, sollten sich auch überschneiden.

Und was unternehmt ihr zusammen?

K: Wir gehen zum Beispiel zusammen ins Fitnessstudio oder kochen was. Aber natürlich hat jeder noch seinen eigenen Kopf.
V: Gleichberechtigung find ich da wichtig, man will zwar Zeit miteinander verbringen, aber man braucht auch Freiräume für eigene Hobbys und Freunde.
K: Man muss halt auch sein eigenes Leben haben.
V: Wir tauschen uns über die verschiedensten Dinge aus, weil jeder seine eigenen Vorlieben hat und man lernt dabei immer was dazu.

Gegensätze ziehen sich ja anscheinend an, aber da entsteht doch sicher auch mal Streit oder?

K: Tatsächlich noch nicht. Sie schauen sich gegenseitig an und müssen lachen.
V: Zum Glück noch nicht, das wär mir neu!

Wie verhindert ihr das denn? Nach zehn Monaten könnte es doch schon zu Meinungsverschiedenheiten kommen?

K: Wir reden einfach sofort drüber, wenns ein Problem gibt. Wir bleiben nicht stur auf unserer Meinung hocken, sondern man hört sich an, was der andere zu sagen hat.
V: Es dauert auch manchmal länger aber wir gehen da ins Detail. Danach hat mans aus der Welt geschafft und es ist alles wieder in Ordnung.
K: Manchmal hilft‘s auch sich für einen Tag aus dem Weg zu gehen und dann kann man wieder nüchtern über das Thema reden ohne sich anschreien zu müssen.

Bei welchen Themen habt ihr denn Meinungsverschiedenheiten?

V: Also letztens sollte ich sie mal vom Bahnhof abholen, aber wollte zum Whisky Club und was trinken und naja – falsche Prioritäten gesetzt – die Frau gewinnt am Ende halt doch. Lacht. Im Endeffekt hab ich doch nachgegeben… War vielleicht vernünftiger…

Also eher kleine Fauxpas, über die man hinwegsehen kann.

K: Richtig, da ist man mal sauer, aber die Welt geht davon nicht unter. Wir wohnen auch noch nicht zusammen oder haben Kinder, also gibts da auch schon mal weniger Faktoren, an denen Streit entstehen kann.
V: Wir haben solche ernsten Situationen wie Kindererziehung einfach noch nicht erlebt.
K: Ich find aber, an solchen kleinen Streits wächst eine Beziehung. Solang man sich wieder verträgt am Ende.

Apropos Kinder, wie weit plant ihr schon in die Zukunft?

K: Ich als Frau fantasiere schon über ‘ne theoretische Hochzeit, aber das hat alles seine Zeit, wir sind ja noch jung und in zehn Jahren kann man da drüber nachdenken.
V: Wir haben schon einen groben Plan, was wir zusammen machen werden. Ich zumindest hab schon Ideen, weiß aber noch nicht, wann ich die umsetzen werde.

Früher war das aber nicht so, da wurde mit 18 meist geheiratet. Woran liegt das eurer Meinung nach?

V: Ich glaub die Gleichberechtigung der Frau spielt da eine große Rolle, früher wurden Frauen ja fast schon zur Heirat gezwungen.
K: Heute kann und will ich erstmal Karriere machen und verreisen, über Familiengründung kann man – zum Glück – auch später nachdenken. Ich denk, das kommt auch daher, dass unsere Eltern nicht mehr so konservativ sind wie unserer Großeltern. Das färbt auch ab.

Also denkt man jetzt mehr an die Zukunft und sich selbst?

K: Ich will meinen Kindern auch was bieten können. Ich möcht nicht von meinem Partner unabhängig genug sein, um mich selbst zu versorgen. Außerdem denkt man auch ans Reisen zum Beispiel, ich würd lieber erstmal mein eigenes Leben leben und genug Zeit für meinen Partner haben. Kinder würden erstmal zu viel Zeit und Kraft kosten. Wenn man erwachsener ist, kann man da besser mit umgehen meiner Meinung nach.
V: Es ist halt erst der Anfang unseres Lebens und wir wollen noch viel zusammen erleben. Und das andere, das kann ja irgendwann noch kommen. Schließen wir ja nicht aus.

Die beiden verabschieden sich – ebenfalls auf dem Weg ins Fitnessstudio. So verschieden müssen jung und alt also doch nicht sein. Freiheiten und Gleichberechtigung liegen bei den Jugendlichen vorn. Aber insgesamt lässt sich sagen: Grundlegend scheinen sich die Werte innerhalb einer Beziehung wenig verändert zu haben. Mit wachsender Emanzipation der Frau sind die Beziehungen über die Zeit „gleichwertiger“ geworden. Männer müssen nicht immer für die Rechnung zahlen und Frauen nicht die Hausarbeit erledigen und sich um die Kinder kümmern.