Schneller, länger und mehr arbeiten. Das wird von Steffi tagtäglich verlangt. Als Zustellerin der Deutschen Post bekommt sie den Kampf um die Kunden jeden Tag aufs Neue zu spüren. Trotzdem versucht sie, ihren Job gut und gewissenhaft zu machen – kein leichtes Unterfangen. Immer schnellere Lieferung, immer billigere Versandkosten.

Das ist es, was die Kunden wollen. Wie das erreicht wird, interessiert kaum jemanden. Geiz und Ungeduld dominieren die Branche. Viel zu lange Arbeitszeiten, zu hohe Anforderungen und schlechte Arbeitsbedingungen sind nur ein paar der Konsequenzen, die die Zusteller zu spüren bekommen. Stefanie Maier, Zustellerin der Deutschen Post, ist eine der Leidtragenden.

Arbeiten schon vor der Arbeit

«Viele meiner Kollegen sind aber schon um fünf Uhr in der Zentrale, Zeit, die sie letztendlich einfach verlieren. Um seine Überstunden ausgezahlt zu bekommen muss man richtig kämpfen, meistens verfallen sie einfach.» Jetzt wird gesteckt. Die Post des Tages wird nach Straßen und Hausnummern sortiert. Dann wird sie der Route des Bezirks nach geordnet. «Ich bin Springer, das heißt, ich spring ein, wenn jemand ausfällt. Ich bin ständig auf einem anderen Bezirk. Es dauert morgens ewig, bis ich meine Post sortiert habe. Andere, die immer den gleichen Bezirk fahren, sind nach einer viertel Stunde fertig und können einladen.»

Die Konkurrenz schläft nicht

Beim Einladen müssen die Pakete gewogen und in der richtigen Reihenfolge zum Postauto getragen werden. «Eigentlich dürfen wir nur Pakete bis 31,5 kg mitnehmen, aber die Waage in der Post ist seit Jahren kaputt. Im Endeffekt nehmen wir einfach alles mit, egal wie schwer. Dann dürfen wir auch noch die Pakete einzeln raus zum Postauto tragen, denn Wägelchen sind hier Mangelware. Wenn man nach einem fragt heißt es immer, die Post habe kein Geld…» Der Grund sind private Paketunternehmen die die Deutsche Post mit billigeren Angeboten unter Druck setzt. Mehr und mehr Geld muss in Werbung gesteckt werden. Geld, das den einzelnen Filialen fehlt.

«Man überlegt sich dreimal, ob man wirklich aufs Klo muss.»

Nachdem endlich alles verladen ist, kann es losgehen. Um 9.30 Uhr verlässt Steffi mit randvollem Auto die Postzentrale. «Wir haben in der Weihnachtszeit 80 bis 100 Pakete pro Tag. Meistens bekomm ich die gar nicht auf einmal ins Auto.» Zehn Minuten später trifft sie am ersten Haus ihrer Route ein. Die Zeit läuft, jetzt muss es schnell gehen. «Offiziell wird pro Paket mit einer Zeit von einer Minute gerechnet. Das kann man wirklich nicht so rechnen. Je nach Lage des Hauses brauch ich schon länger als eine Minute, um nur bis zur Haustür zu kommen. Für Hochhäuser braucht man viel länger, denn man muss oft mehrfach zum Auto und zurück laufen. Viele alte Häuser haben keinen Aufzug, dann heißt es mit Paket Treppen steigen, bis in den vierten Stock. Die Zeit ist so knapp berechnet, dass man sich dreimal überlegt, ob man jetzt wirklich aufs Klo muss, oder nicht.»

Die Deutsche Post reagiert auf dieses Problem mit Neueinteilungen der Bezirke, wobei diese dabei immer größer werden. Die Route an einem Tag zu schaffen wird unmöglich und hinterlässt täglich unzufriedene Kunden. «Viele Leute, vor allem Ältere, warten jeden Tag zur gleichen Zeit auf ihre Post. Als Springer bin ich natürlich langsamer als jemand, der den Bezirk seit zwanzig Jahren fährt. Ich weiß nicht, wie viele bei meinen Vorgesetzten angerufen und sich beschwert haben, dass ihre Post eine halbe Stunde zu spät kam.» Findet die Post einen Grund dich zu kündigen, zum Beispiel durch eine Beschwerde, dann wirst du durch billige Anfänger ersetzt. Die Angestellten haben deshalb immer Existenzängste. Auch Steffi will seit Jahren eine Festanstellung, doch die Post verlängert nur jedes Mal ihren Vertrag. Und das, obwohl sie viele Überstunden und freie Tage dafür geopfert hat.

«Beschwer dich und du fliegst»

«Wenn du deinen Job behalten willst, musst du die Klappe halten. Beschwer dich und du fliegst. Sie finden immer einen Grund. Du bist ihnen einfach eiskalt ausgeliefert…» Auch beim großen Poststreik im Jahr 2015 musste Steffi um ihren Arbeitsplatz bangen. «Mir wurde damals nahegelegt, vom Streiken abzusehen. So haben sie es zumindest formuliert. Klartext: Streik mit und du fliegst.»

Die Post weist solche Vorwürfe klar zurück. Der Schweriner Volkszeitung (SVZ) gegenüber äußerte sich der Postsprecher Jens-Uwe Hogardt mit der Behauptung, es würde kein Druck auf befristet Beschäftigte ausgeübt. Doch offenbar sehen das einige Mitarbeiter anders. Laut der SVZ sei vielen Postmitarbeitern von ihren Vorgesetzten gedroht worden, die Verträge nicht zu verlängern, wenn sie am Streik teilnehmen würden.

«Für ein Privatleben bleibt einfach keine Zeit»

Nachdem sie alle Pakete ausgeliefert hat, fährt Steffi zurück zur Zentrale. «Wir dürfen erst Schluss machen, wenn das Auto leer ist. Wenn es blöd läuft, schafft man das nicht vor 19 Uhr. Dann macht die Zentrale zu und du musst das Postauto mitsamt Paketen auf eigene Verantwortung mit nach Hause nehmen.» Wenn Steffi es rechtzeitig in die Zentrale schafft, beginnt die Nacharbeit. Briefe und Pakete, die nicht zugestellt werden konnten, müssen in 15 Minuten gekennzeichnet und sortiert werden. Das klappt nur nie unter 30 Minuten, bezahlt wird das aber nicht. Zwischen 19 und 20 Uhr kommt Steffi nach Hause. Dann ist nicht viel Zeit für ihre Hunde oder den Haushalt, meistens will sie dann nur Schlafen.

«Ich liebe meinen Job»

Trotz allem, ein anderer Beruf kommt für Steffi nicht in Frage. «Ich liebe meinen Job. Ich liebe es den ganzen Tag draußen zu sein, die Bewegung und auch die Arbeit selber. Man glaubt gar nicht, wie sehr sich manche Menschen über Pakete freuen können. Klar gibt es immer ein paar Kunden, die unhöflich sind, aber in der Regel sind die meisten total nett. Vielleicht klappt es ja dieses Jahr mit dem unbefristeten Vertrag, noch hab ich die Hoffnung nicht aufgegeben.»