Fett sucht man an Franziska Lohberger vergebens, ihre Muskeln jedoch springen einem sofort ins Auge. Die 21-jährige Studentin nutzt ihre freie Zeit zwischen Studium und Arbeit und misst sich auf den Showbühnen Europas mit den besten Athletinnen ihrer Wettkampf-Klasse. Ein Leben ohne den Sport ist für sie undenkbar.
Acht… neun… zehn… geschafft. Langsam setzt Franziska die Hanteln ab. Ihre Muskeln zittern, der Schweiß fließt ihr die Stirn herunter. Sie liebt diesen Schmerz, er ist wie eine Droge. Eine Droge, die sie für ihren nächsten Wettbewerb braucht. Zwar ist schon jetzt jeder einzelne Muskel mehr als nur definiert, doch es bleibt Luft nach oben – findet nicht nur die Jury, sondern auch sie selbst.
Der Weg zur Showbühne
2016 besuchten laut Statista rund 19 Millionen Menschen in Deutschland ein Fitnessstudio, fast die Hälfte davon Frauen. Viele von ihnen sehen das Studio jedoch nur selten von innen. Anders Franziska: Nach dem Abitur will sie alle Dinge nachholen, die sie in der stressigen Vorbereitungsphase versäumt hat, und setzt sich ein Ziel: ihr «Projekt Bodyperfection». Seit 2014 trifft man die heute 21-jährige Studentin in ihrer Freizeit nur noch im Studio, zu Anfang im «Jumpers», einer Fitness-Kette ähnlich wie McFit, nur kleiner. Abnehmen mit Sophia Thiel oder sich «krass machen» mit Daniel Aminati ist uninteressant für sie. Franziska ist seit jeher schlank, es geht ihr ausschließlich um die perfekte Definition und das Gefühl für den eigenen Körper. Ehrgeizig trainiert sie Tag für Tag, Woche für Woche – den ganzen Sommer lang. Doch das ist erst der Anfang, denn schnelle Erfolge stacheln sie immer weiter an. Wohl fühlt sie sich in diesem Studio allerdings nur kurz. Um sie herum trainieren Anfänger, Amateure sowie nervige «Poser» und selbst während ihrer Übungen wird sie immer wieder lästig angemacht. Aufgeben ist jedoch keine Option, ein halbes Jahr später wechselt sie deswegen zum «Transformer Gym», einem Studio, in dem vor allem Wettkampfsportler unterwegs sind. Bodybuilding gehört hier zum Alltag, doch noch verfolgt Franziska andere Ziele.
Als sie das erste Mal gefragt wird, wann denn ihr nächster Wettkampf sei, lacht die Hobbysportlerin noch darüber und korrigiert, sie habe rein gar nichts mit Wettkämpfen am Hut. Erst ein paar Monate später kommt das Thema wieder auf den Tisch: Auf dem Sommerfest des Fitnessstudios rät die Pro-Bodybuilderin Valeria Ammirato Franziska ihr Potenzial zu nutzen. «Sie kam zu mir her und sagte, dass ich alle körperlichen Voraussetzungen für eine Karriere auf der Bühne mitbringen würde», erinnert sich die 21-Jährige. Von einer Frau vom Fach ist so eine Aussage natürlich ein großes Kompliment, das sie grübeln lässt. Was spricht schon dagegen? Nach einem leichten Zögern entscheidet sie sich dafür, in der nächsten Saison im Herbst das erste Mal die Show-Bühne zu betreten. Sie kämpft in der «Bikini-Klasse», der untersten von drei Stufen. Für die zwei höheren Klassen «Figur» und «Bodybuilding» müsste sie mehr Masse und Härte aufbauen, bei ihr achtet die Jury ausschließlich auf ein muskulöses und doch feminines Erscheinungsbild. Sie genießt das Rampenlicht und ist dabei sehr erfolgreich: Bayerische Meisterin, Deutsche Meisterin bei den Junioren und Deutsche Vizemeisterin sind nur ein paar der zahlreichen Titel, die sich Franziska innerhalb der letzten zwei Jahre erkämpft hat.
Doch das alles hat seinen Preis
In den Morgenstunden vom Club nach Hause, diesen Weg kennt sie nicht mehr. Franziska joggt lieber nach Sonnenaufgang durch den Wald und genießt dabei die frische Luft. Nachmittags ein kühles Bier am Flussufer? Auch das ist gestrichen, der Trainingsplan sieht eine Einheit im Studio vor. Auch die strikte Diät schränkt Franziska ein. «Ach, lass doch noch schnell ein Eis essen gehen», ein Satz, auf den man bei ihr lange warten kann. Essen ist kein Genuss, es ist Mittel zum Zweck. Sie weiß genau, was ihr Körper braucht. Reis, Huhn und Gemüse sind alles, was man in ihrem Einkaufswagen findet. Das Essen bereitet sie sich gleich in Wochen-Mengen zu und isst tagein, tagaus das Gleiche. «Ich seh‘ das nicht so, als ob ich auf etwas verzichten würde», stellt Franziska klar, «es ist eher so, dass ich mich meinen Zielen entsprechend ernähre!» Vor allem zu Beginn ihrer Karriere erntete sie dafür Unverständnis und teilweise Eifersucht, denn nur wenige akzeptieren so viel freiwilligen Verzicht. Viele Freunde haben sich dabei von ihr entfernt, man sagt sich noch Hallo auf der Straße, das ist auch alles. Franziska nimmt es gefasst auf: «Das bin eben ich, das gehört zu mir. Und damit kommt man entweder klar oder nicht!» Franziskas neue Freunde sind größtenteils selbst höchst sportbegeistert, verstellen muss sie sich so vor niemandem mehr. Sie treffen sich mal vor, mal nach dem Training – keine Minute ihrer begrenzten Freizeit geht verloren.
Zeitmanagement ist für sie alles
«Ich habe mich nicht nur physisch verändert. Ich bin auch viel zielstrebiger und ehrgeiziger geworden», berichtet die erst 21-Jährige stolz. Eigenschaften, die sich durch das Training noch stärker ausgeprägt haben und für den harten Wettkampfalltag dringend notwendig sind. Es haben nur wenige Menschen den erforderlichen eisernen Willen, um die körperliche und mentale Belastung auszuhalten. Abseits der Hantelbank ist ihre Woche recht gewöhnlich: In Kufstein studiert Franziska Unternehmensführung und arbeitet nebenbei in der Metzgerei ihrer Eltern. Die Wettkampfvorbereitung sieht sie dabei trotz der rosaroten Brille als das einzig Ungesunde an ihrem Sport. In dieser Zeit bringt Franziska es auf einen Körperfettanteil von neun Prozent – fitte gleichaltrige Frauen liegen normalerweise bei einem Wert von 21 bis 24 Prozent. Für die «Schönheitswettbewerbe mit Muskeln», wie sie es umschreibt, ist dieser niedrige Wert nötig, um ihre Muskeln in voller Pracht zur Schau stellen zu können. Der Körper kann das harte Training und die eingeschränkte Ernährung nur eine begrenzte Zeit ertragen. Trotz ihrer Leidenschaft für die Bühne ist deswegen auch Franziska nach vier Monaten Höchstbelastung froh, wenn ihre Wettkampf-Saison vorbei ist und sie wieder neue Kraft tanken darf.
Der Sport ist eine Sucht
Das heißt für sie jedoch keinesfalls weniger Training, denn der Sport ist ihre Droge, unverzichtbar. Fünfmal die Woche, teilweise zweimal am Tag – so lautet ihr Erfolgsgeheimnis. Keine Zeit, eine leichte Erkältung – alles kein Grund zum Aussetzen. «Es ist eine Sucht, ganz klar. Stellt man Rauchen oder Trinken dagegen, dann ist es doch eine sehr positive Art», argumentiert Franziska. Und es stimmt: Die Muskeln stabilisieren den Körper und entlasten damit die Gelenke, die Belastung stärkt das Herz-Kreislauf-System. Aktuell bestimmt noch der Sport ihr Leben. Doch schon bald hat sie ihr Studium abgeschlossen und ihr Leben ändert sich extrem. Ob dann noch genug Zeit für ihre Leidenschaft bleibt oder ob sich ihr Lebensschwerpunkt vielleicht sogar wieder ändert, das ist ungewiss. Eins jedoch ist sicher: Für den Moment, da lebt sie ihr «Projekt Bodyperfection»!