Immer öfter findet man es – auf Getränkekarten, als Limited Edition im Supermarkt, in der coolsten Bar der Stadt: das Craftbeer. Doch kaum jemand, der sich nicht eigenhändig informiert, versteht, was ein Craftbeer ausmacht. Dazu gehen selbst die Meiungen der Brauer weit auseinander.
Mit dem Schlagwort Craftbier tun sich noch einige sehr schwer, sagt Bierbrauer Max Winkler. Er ist mit der Kunst des Bierbrauens groß geworden und übernimmt die Amberger Brauerei Winkler seiner Eltern. Seit kurzem ist auch sein eigenes Craftbeer «Helle Freude» in Amberg und Umgebung auf dem Markt. Während seines Studiums war es schon absehbar: der Craftbeer-Trend von Amerika schwappt auch nach Deutschland über. Chris Sullivan ist gebürtiger US-Amerikaner und leidenschaftlicher Bierbrauer. In den Staaten ist selbst mal ein Bier zu brauen nichts Ungewöhnliches, es ist sogar ein Teil der Kultur. Die Craftbeerbewegung entstand schon in den 1970er Jahren in den USA, um einen Gegenpol zu konventionellen Brauereien wie Budweiser zu bilden.
Um sein Hobby zum Beruf zu machen, kam Chris Sullivan zum Studieren von Brauwesen nach Deutschland. Vor einem Jahr hat er seine eigene Firma Smash gegründet. Seine Biersorte Herbipolis wird aus Tettnanger – einer der ältesten Hopfensorten Deutschlands und der traditionellen Malzsorte Barke Pilsner Malz gebraut. Er sagt: «In den USA entstand das ganze meiner Meinung nach eher aus Qualitätsgründen. In Deutschland ist die Qualität des Bieres im Vergleich zu den USA schon relativ hoch. Daher denke ich, es ist wohl eher die Vielfalt, die den Reiz an Craftbeer ausmacht. Natürlich kann man auch in Deutschland aus Sicht der Qualität noch etwas herausholen. Vor allem die Zutaten sind extrem wichtig.»
Eine Frage stellte sich trotzdem: «Die Amerikaner brauen so etwas wie Bavarian Style Hefeweizen. In Deutschland machen wir das schon seit einigen 100 Jahre», erzählt der junge Winkler-Chef.
Bitte ein Bier
Kann Bier in Deutschland, besonders in Bayern, überhaupt noch ein Trend sein? Schon 5000 vor Christus haben die Menschen Bier gebraut und trotzdem existiert es noch heute. Den Grund dafür erklärt sich Max Winkler so: «Man muss zu dem Entschluss gekommen sein, dass es mit Bier wohl cooler ist als ohne Bier. Es ist mehr als nur die Flasche Wodka, die man wegen des Alkohols kauft. Das ganze Drumherum ist auch wichtig. Es verbindet eben auch Menschen. Der Bürgermeister sitzt neben dem normalen Arbeiter – die Leute am Bergfest und sind eben alle gleich. Bei beispielsweise Wein ist das schon noch mal eigener.» Gerade in Bayern sind viele schon mit Bier aufgewachsen. «Mein erstes Bier habe ich bei meinem Opa probiert. Dort durfte ich den Schaum vom Bier abtrinken», erinnert sich Max. «War sehr bitter und hat auch nicht wirklich geschmeckt.»
Viele aus der Brauereibranche bezeichnen Craftbeer auch als Kreativbier, denn dieser Begriff beschreibt den Trend in Deutschland noch am Besten. Ziel der Craftbeerbrauer in Deutschland ist es, mit mehr Kreativität zu brauen, alte Traditionen wiederzubeleben und eine neue Biervielfalt zu schaffen. Max ist wie viele mittelständische Brauereibesitzer sehr glücklich mit dieser Entwicklung: «Die Leute unterhalten sich über die Zutaten, die Bierstile, die Hopfensorten, die Brauer dahinter und eben auch über die Qualität. Die Leute hinterfragen einfach mehr. Ist es denn ein amerikanischer Großkonzern zudem das Geld fließt? Oder bleibt das Geld in der Region.»
Auch andere Bereiche der Ernährung entwickeln sich in diese Richtung. Regional, fair gehandelt und bio kaufen ist ein sogennanter Megatrend, der uns wohl noch ein paar Jahre erhalten bleiben wird.
Mittelstand versus Garagenbrauerei
In den letzten ein bis zwei Jahren schießen neue kleine Craftbeerbrauereien nur so aus dem Boden. Viele haben wie Max Brauwesen in Weihenstephan studiert und gründen zu dritt oder zu viert ihre eigene kleine Brauerei. «Das ganze finde ich schon cool und spannend», gibt er zu. «Aber die Allerwenigsten wird es davon in 30 bis 40 Jahren noch geben», muss er zugeben. Irgendwann kommt bei den meisten die Zeit im Leben, wo geregelte Arbeitszeiten und ein gutes Einkommen wichtiger sind. «Die Leute werden früher oder später doch wieder zu größeren Brauereien gehen und dort ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen. Viele werden bestimmt ihr Geschäft verkaufen, wenn es gut läuft», steht für ihn fest.
Tradition versus Veränderung
Max empfand nach dem Abschluss seines Masters ins Weihenstephan eine gewisse Demut gegenüber seines zukünftigen Jobs – schließlich gibt es die Amberger Brauerei Winkler seit 400 Jahren. «Es ist nicht so, dass ich die Brauerei jetzt übernehme und alles umkrempel. Das ist auch gar nicht mein Ziel», sagt der 28-Jährige. Er versucht immer den gesunden Mittelweg zwischen Tradiotion und neuen Ideen zu finden. Das erste Amberger Craftbeer wurde nach seiner Institution auch kein Pale Ale oder IPA, sondern ein kaltgehopftes, naturtrübes Helles.
Wie geht es weiter?
Die Brauerei Winkler hatte in der Bierstadt Amberg schon immer große Konkurrenz, denn es gibt noch fünf weitere Brauerein in der Sadt und viele weitere im näheren Umkreis. Dieser Konkurrenzdruck ist zwar schon immens für eine mittelständische Firma. Jedoch motiviert es die Amberger Brauereien nicht zurückzufallen. Überraschend ist, dass Export kein interessanter Faktor für die Brauerei ist: «Wir wollen Amberg und die Umgebung mit Bier versorgen. Wenn jetzt jemand aus Köln anfragt oder aus Stuttgart, dann freuen wir uns natürlich, dass sie auf uns gestoßen sind. Wir sind dann allerdings auch der Meinung, dass es auch dort gutes Bier gibt und dass sie sich doch von diesem Bier bedienen sollen. Das, wovon wir leben, wollen wir andern eben auch nicht wegnehmen. Bier hunderte Kilometer mit dem LKW rumzukarren halte ich nicht für sehr sinnvoll.» Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: «Die letzten 400 Jahre wären wohl nicht so lustig gewesen, hätte es die Winkler Brauerei nicht gegeben.» Vielleicht ist das ja auch das was Craftbeer ausmacht – der Anspruch die Welt oder zumindest das Bier besser zu machen.