Am 1. Juli 1958 trat das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts in Kraft. Doch bis heute werden Frauen benachteiligt. Warum wir Feminismus gerade heute brauchen und warum YouTube die richtige Plattform ist, um darüber zu diskutieren.
Dr. Antje Schrupp beschäftigt sich als Politikwissenschaftlerin und Journalistin mit Feminismus und Gleichberechtigung. Zu diesen Themen ist sie über die Ansichten italienischer Feministinnen gekommen. In ihrer Promotion analysierte sie die politische Ideengeschichte von Frauen in der Ersten Internationalen.
Was hat sich an dem Umgang mit Sexismus im Vergleich zu den Achtzigern verändert?
Es gibt heute Orte, an denen man Sexismus thematisieren kann – wie zum Beispiel auf YouTube-Kanälen. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, wo niemand darüber gesprochen hat. Das war die Natur der Dinge – gar nichts Besprechbares.
Wichtiger finde ich: Leute, die nicht selbst von Sexismus betroffen sind, müssen realisieren, dass das ein menschliches Thema ist. Und nichts, was sie nichts angeht, nur weil sie nicht direkt betroffen sind. Viele Männer sagen: Das ist doch kein Problem, ich bin kein Sexist, also bin ich heil raus. Diese Haltung finde ich falsch. Sie sind Teil dieser Gesellschaft, von daher sollten Männer auch andere Männer auf sexistisches Verhalten und Äußerungen hinweisen, ohne sich dann direkt was darauf einzubilden und zu sagen, was für ein toller Feminist sie sind oder so. Es ist eine kulturelle Aufgabe und jeder soll sich dort einsetzen, wo er oder sie gerade ist: im Büro keine sexistischen Witze mehr reißen; als Regisseur darauf achten, ob der Frauen- und Männeranteil im Film ausgewogen ist. Das ist so eine Alltagssache, wo wir uns alle je nach Begabung und Interesse anstrengen müssen.
Gerade im Internet sind Diskussionen über Feminismus oft nicht leicht zu führen. Doch das geht auch anders, wie der YouTube-Kanal mirellativegal von Mirella Precek zeigt. Mit 530 000 Abonnenten ist sie eine der größeren YouTuberinnen, die auch Sexismus auf ihrem Kanal thematisiert.
Warum hast du dich dazu entschieden Videos zum Thema Feminismus zu machen?
Das Ganze hat angefangen mit dem Schlampenlogik-Video, dass ich vor drei, vier Jahren auf Facebook gesehen habe, was mich so wütend gemacht hat. Das war wirklich so eine innere Wut und die Motivation, die mich dazu getrieben hat, über das Thema Sexismus zu sprechen. Da habe ich gemerkt: Es gibt ganz viele Menschen, denen ich aus dem Herzen gesprochen habe und die sich total gefreut haben, dass sich da jemand traut seinen Mund aufzumachen und eben auch zurückfeuert.
Ist YouTube das richtige Medium für Feminismus?
Ich glaube, es gibt kein richtiges und kein falsches Medium für Feminismus. Wenn wir die Gleichberechtigung von Mann und Frau überall haben wollen, dann kann das Gespräch darüber auch überall stattfinden. Egal ob auf Social Media, in Büchern oder sonst wo.
Journalist und YouTuber Florian Gregorzyk sieht das genauso. Er bezeichnet sich selbst als Feminist.
Mann und Feminist sein, ist das nicht ein Widerspruch?
Ich glaube, sich für eine emanzipatorische, aufgeklärte und gleichberechtigte Gesellschaft einzutreten, sollte heute normal sein. Egal ob es jetzt Feminismus oder Humanismus heißt. Ob man sich jetzt traut – oder ob man das Gefühl hat, das unter Feminismus zu packen, oder ob man sagt, mit einigen Strömungen, die es im Feminismus gibt, komme ich nicht klar oder die sind auch vielleicht nicht mit allen meinen Ansichten d’accord. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich glaube aber, dass der Feminismus einem auch so viel Freiraum lässt, wenn man für eine Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Menschen an sich eintritt. Man kann sich auch unter dem Label Feminismus wiederfinden, wenn man das denn möchte.
Warst du selbst schon von Sexismus betroffen?
Ich glaube, mir als Mann kann kein Sexismus begegnen. Nach meiner Definition ist Sexismus immer die Benachteiligung von jemandem aufgrund seines Geschlechtes – aber eben strukturell. Ich glaube nicht, dass ich strukturell benachteiligt werden kann, aufgrund dessen, dass ich ein Mann bin. Vielleicht eher in umgedrehter Form. Im echten Leben, gerade wenn man viel reist, fällt einem auf, dass man als weißer, heterosexueller Mann oft bevorzugt wird. Man wird als der Starke gesehen, als der, der die Rechnung bezahlt im einfachsten Fall (lacht). Quasi immer als der Bestimmer. Aber man wird nie als jemand gesehen, um den man sich kümmern muss, als jemand, der seine Sachen nicht alleine geregelt kriegt. Ich glaube, dass ist so die Art, wie man als Mann mit Sexismus in Kontakt kommt.
Mehr zum Thema Feminismus erfahren Sie im Magazin Schmitz – Purpur.