Ohne Geld den Globus bereisen – was zunächst utopisch klingt, wurde für viele Abenteuerlustige bereits Realität. Dank Breakout profitieren davon zusätzlich soziale Projekte.

Josi Reckling lebt zusammen mit ihrem Freund in der obersten Etage eines Reihenhauses nahe der Dresdner Universität. In der gemütlichen Wohnung erzählt die Studentin der Kommunikationswissenschaft von ihrer ehrenamtlichen Arbeit bei Breakout. Seit etwa eineinhalb Jahren ist sie schon dabei, nachdem Feunde ihr von dem Verein erzählten und die Studentin sich daraufhin selbst engagieren wollte. Im Team Presse kümmert sich Josi um die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins, der mehrheitlich aus Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen besteht. «Wer den jährlichen Beitrag von 20 Euro voll bezahlt hat, der ist im Team, das sind 48 Leute zur Zeit. Aber wir sind jetzt auch dabei, neue Leute zu rekrutieren», sagt sie.

Zuwachs bekam die Breakout-Familie auch 2017, als Dominik Glandorf dazukam. «Ich hatte 2016 zwei Kommilitonen, die mitgemacht haben. Damals war ich auch Sponsor für die beiden. Ihre Reise habe ich sehr aufmerksam und intensiv auf ihrem Blog verfolgt. Das hat mich dann motiviert, im nächsten Jahr selbst mitzumachen», erklärt der 22-Jährige. «Nachdem ich Teilnehmer war, habe ich gemerkt, dass mit der IT vielleicht noch ein bisschen Hilfe notwendig wäre, gerade beim Thema App-Entwicklung. Da dachte ich, bevor ich mich beschwere, helfe ich einfach selbst mit», sagt er und fügt hinzu: «Ich habe damals noch Informatik studiert und deswegen hat es auch ganz gut gepasst, dass ich dann im Software-Entwicklungsteam angefangen habe.»

Abenteuerlust vorausgesetzt

Zu zweit reisen, in 36 Stunden, so weit wie möglich, ohne dafür Geld auszugeben und das für einen guten Zweck. So könnte das Breakout-Konzept lauten – eingedampft auf die Quintessenz. Doch damit ist es nicht getan: Zuerst gilt es, einen Teampartner zu finden, mit dem man die Reise antreten möchte, denn eine Teilnahme ist nur zu zweit möglich. Beide müssen volljährig sein und sich anschließend rechtzeitig im Anmeldezeitraum über die Breakout-Website registrieren. Außerdem darf man einen Namen für das Team wählen. In der Teilnahmegebühr von 20 Euro pro Teilnehmer sind das Breakout-T-Shirt und ein Starterkit enthalten. Spenden können auf zwei Arten gesammelt werden: Das Team sucht sich vor der Reise ein oder mehrere Sponsoren. Sie versprechen, für jeden zurückgelegten Kilometer einen bestimmten Betrag zu spenden. Ansonsten ist es unterwegs möglich, sogenannte «Challenges» zu erfüllen. Das sind Aufgaben, die Freunde oder Familie online stellen, entweder im Vorfeld oder während der Reise. Auf dem Weg dürfen allerdings keine Spenden gesammelt werden, es soll also kein Geld »erbettelt« werden. Das Team darf sich aber zum Beispiel Tickets bezahlen lassen, da für die Fortbewegung selbst kein Geld ausgegeben werden darf. Davon ausgenommen sind natürlich Verpflegung und Übernachtung. Ziel ist es, vom Startort so weit wie möglich weg zu reisen, am Ende zählt die zurückgelegte Luftlinie in Kilometern. Die gesammelten Spenden aller Teams kommen schließlich einem sozialen Projekt zugute.

Zugegeben, die Idee dahinter ist nicht ganz neu: Robert Darius und Moritz Berthold gründeten den Verein 2014, nachdem Robert während seines Erasmus-Studiums in Paris von «Jailbreak» hörte, dem englischen Vorbild von Breakout. So kam die Idee nach Deutschland und wurde größer. Mittlerweile können die Teilnehmer per Breakout-App ihre Position regelmäßig übermitteln und sich in festgelegten Abständen beim Breakout-Team melden, das für Notfall vorbereitet ist. Bisher ist nichts passiert. Einmal meldete sich ein Team bei Josi, das sowohl Orientierung als auch Internetverbindung verloren hatte. Eine Wegbeschreibung per Telefon half den beiden dann weiterzukommen. Internet ist auch wichtig, um den Daheimgebliebenen Fotos und Videos zu senden. Apropos Voraussetzungen: Am 14. und 15. Juni 2019 startete das Event in München, Berlin und an einem neuen Standort: Köln. Hier musste laut Josi noch viel Pressearbeit geleistet werden, um sich die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen. An mindestens vier Wochenenden im Jahr trifft sich der Verein, um Ziele festzulegen, Veränderungen abzustimmen, Prozesse zu optimieren, den Spendenpartner auszuwählen, Werbung für das Event zu organisieren und Genehmigungen für die Startorte einzuholen. Nicht zu vergessen, ein Wochenende nach dem Event, an dem eine Runde gefeiert wird. «Es sind alle ehrenamtlich dabei, wir kriegen kein Geld. Auch nicht, wenn wir zu den Wochenenden fahren», beteuert Josi. «Für uns springt raus, dass wir neue Freunde in vielen Städten haben und etwas für einen guten Zweck tun», erzählt sie stolz.

Vorbereitung ist die halbe Miete

Was natürlich nicht erlaubt ist, sind Absprachen. Etwa darf man keine Treffpunkte für eine Mitfahrgelegenheit mit Freunden im Vorfeld abstimmen. Breakout appelliert an die Ehrlichkeit der Teilnehmer. Vorbereiten kann man sich dennoch. Zusammen im Team «Ziemlich zweitbeste Freunde» war Dominik mit Paula 2018 in Berlin gestartet: «Als wir uns kennengelernt haben, haben wir uns relativ schnell ziemlich gut verstanden, aber wir hatten beide schon jeweils einen besten Freund beziehungsweise beste Freundin und dann hat Paula irgendwann einmal entschieden, dass wir immerhin zweitbeste Freunde sind, und das haben wir dann immer so ein bisschen als Verballhornung mitgenommen», erklärt der Psychologie-Student. «Wir waren vorher schon einmal Trampen», erwähnt er, «sogar einmal zusammen, das ist eine gute Vorbereitung. Es ist zwar nicht notwendig, aber dann hat man zumindest schon mal ein Gefühl, wie das läuft und dann weiß man auch, dass es sehr hilfreich ist, gute Straßen-Informationen zu haben, vor allem, wo Autobahn-Raststätten und Tankstellen sind. Aber die Reise selbst kann man ja eigentlich nicht so richtig planen.» Er empfiehlt, sich am besten Müsliriegel mitzunehmen, und rät, möglichst keine Zeit mit dem Einkaufen zu verschwenden. Manchmal bekäme man zwar unterwegs etwas zu Essen oder zu Trinken geschenkt, aber darauf könne man sich natürlich nicht verlassen, meint Dominik, der im Vorjahr mit einem anderen Kollegen in München gestartet war. Josi empfiehlt, sich einen Schlafsack einzupacken und auf passende Kleidung zu achten: «Sachen, die man selber auf einen kurzen Camping-Ausflug mitnehmen würde.»

Und es geht tatsächlich gut, ohne Geld zu reisen. So können die Teilnehmer von Breakout wie klassische Tramper, zum Beispiel per Anhalter fahren oder im Zug einen freundlichen Schaffner fragen, ob er einen mitnimmt. Eine Fährüberfahrt wird auch oft pro Auto bezahlt, da spielt es keine Rolle, wie viele Personen im Auto sitzen. Im letzten Jahr wurden den Teilnehmern sogar Flugtickets bezahlt. «Generell sind die Leute, die wir unterwegs getroffen haben, total aufgeschlossen, wenn man die Zeit hatte, das zu erklären», sagt Dominik. «Manche Leute sehen natürlich erst einmal nur: Das sind Leute, die per Anhalter fahren wollen, ich habe keinen Platz im Auto, ich habe keine Lust, ich bin genervt oder ich habe es eilig oder ich möchte keine Umwege fahren. Aber generell gewinnt man den Glauben daran zurück, dass Menschen hilfsbereit sind.»

Wie weit kannst du gehen?

Die Mehrzahl der Teilnehmer ist zwischen 18 und 30. Letztes Jahr sind jedoch auch zwei 60-Jährige Damen in Berlin gestartet. Unweigerlich stellt sich auch die Frage, wie man ticken muss, wenn man bei Breakout mitmachen möchte. «Man muss einfach Spaß am Reisen haben und Lust haben, die Leute anzuquatschen und irgendwo mitzufahren», argumentiert Josi. «Zeit haben – das ist auch der Grund, warum eher junge Leute mitmachen.» Zudem sei es schwierig, ältere Leute zu erreichen, meint sie. Dominik weiß aus eigener Erfahrung: «Man muss Lust haben auf ein Abenteuer. Mal was Neues zu erleben, man darf nicht die Person sein, die gerne die Reise vorher komplett durchgeplant hat», warnt er. «Diese generelle Mentalität, dass man einfach Leute fragt und anspricht, sowohl vorher beim Sponsoren-Sammeln als auch auf der Strecke. Es kostet ja kein Geld, Leute zu fragen, aber viele machen das trotzdem irgendwie nicht so gerne.»

Los geht’s!

Am Eventtag waren Organisatoren wie Teilnehmer gleichermaßen in Aufregung: «Man weiß nicht, was die nächsten 36 Stunden passiert, man nimmt sich vielleicht eine grobe Richtung vor», sagt Dominik. Dann war es soweit, der Startschuss fiel und das Abenteuer begann. Gespannt beobachtete Josi auf einem großen Bildschirm, wie sich die Reiselustigen in alle Himmelsrichtungen verteilten. Fast im Minutentakt posteten die Teams Videos der Challenges, machten Beweisbilder und ließen so jeden an ihren Erlebnissen teilhaben, der das Event über die Breakout-Website verfolgte. Von «in Unterhosen Auto fahren», bis «Lieder singen» war alles dabei. Zuschauer bekamen von überall witzige Videos und Fotos zu sehen. Jemand fuhr bei der Müllabfuhr hinten mit. Eine Menschen-Raupe wurde auf einem belebten Platz gemacht. Dominik und Paula durften mit 15 Leuten zu den Klängen von «Macarena» tanzen. Dabei mussten die Leute vorher von beiden überzeugt werden: «Das generelle Argument bei Breakout ist ja immer: », erklärt der begeisterte Hip-Hop-Tänzer. «Manchmal sind das auch wirklich einfache Challenges: Zusammen einen vorführen oder einfach nur eine Pyramide bauen. Oder zum Beispiel auch die Menschen, mit denen man dann zwei, drei Stunden im Auto verbracht hat. Die dann wissen, worum es bei Breakout geht; mit denen kann man auch gut eine Challenge machen», empfiehlt Dominik. Zusammen mit Paula hat er letztes Jahr einen Preis für die meisten erledigten Challenges bekommen. 34 konnten sie in 36 Stunden erfüllen. «Und wir haben sogar einen Preis für eine der besten Challenges gewonnen, wo wir auf einem öffentlichen Platz tanzen mussten», berichtet er stolz. «Dann habe ich mich da hingestellt, die Leute haben ein bisschen komisch geguckt, aber die Leute vom Breakout-Team, die haben sich total gewundert, dass sich in mir noch ein Tänzer versteckt», lacht er. «Klar, Studenten können nicht so viel spenden, aber wir haben uns schon darüber gefreut, wenn es ganz kleine Summen waren oder mal eine Challenge ohne festen Betrag oder einen kleineren Betrag.» Insgesamt konnten die Beiden über tausend Euro sammeln und ebenfalls über tausend Kilometer weit bis in den Süden Kroatiens reisen – ohne Geld.

Ein unvergessliches Erlebnis

Das Gefühl am Ziel beschreibt er als eine Mischung aus «erleichtert» und «fertig». Zum Glück nahmen zwei deutsche Urlauber die beiden am Montag darauf wieder mit nach München. Von dort aus fuhren sie dann mit dem Bus zurück nach Berlin. «Viele haben das sehr gespannt verfolgt, was wir so getrieben haben, und fanden das cool, einige wollten sogar auch selbst mal mitmachen», erzählt Dominik begeistert. Und da ist er nicht allein. Viele ehemalige Breakout-Teilnehmer engagieren sich anschließend sogar selbst im Verein. Auch das positive Echo über unterschiedliche Feedback-Kanäle gibt dem Team Auftrieb. Für Dominik ist Breakout ein Herauskommen aus der Blase, in der man sich als Student häufiger befindet. Man lernt viele unterschiedliche Menschen und ihre Sicht auf das Leben kennen. Ein Erlebnis fand er besonders einprägsam: Als sie wieder einmal auf einer Raststätte eine Mitfahrgelegenheit suchten, nahm sie ein Survival-Trainer von sich aus in seinem ohnehin fast voll beladenem Auto mit. Er war bereits quer durch Europa getrampt. Geduldig warten, in der Hoffnung, jemand nimmt die beiden Abenteurer mit – das sei immer wieder eine Herausforderung, erzählt Dominik, der in seiner Freizeit gerne Ultimate-Frisbee spielt. Für 2019 plant er eine Pause, verspricht aber, auf jeden Fall noch einmal teilzunehmen. Er wünscht sich, dass 2019 eine große Spendensumme zusammenkommt. Und, dass viele neue Teams mitmachen, die eigene Breakout-Erlebnisse sammeln möchten. Er ermutig alle, die etwas Abenteuerlust verspüren, es einfach auszuprobieren.

Als Josi im vergangenen Jahr den ganzen Tag die eintreffenden Fotos und Videos der Teilnehmer sah, wollte sie am liebsten selbst mitmachen, gesteht sie. Wenn sie Zeit hat, möchte Josi 2019 unbedingt dabei sein. Norwegen, Marokko, Ägypten: Das alles sind bereits erreichte Ziele von Breakout-Teilnehmern. Es konnten seit Breakout-Gründung mit über 350000 Euro soziale Projekte in Entwicklungsländern unterstützt werden. 2019 spendet Breakout e. V. die erzielten Geldbeträge an einen Verein, der sich um den Bau von Schulen im libanesisch-syrischen Grenzgebiet kümmert.

Vom 2. April bis 22. Mai 2019 konnte man sich für das nächste Breakout-Event anmelden. Mit Spaß Gutes tun, eine unvergessliche Erfahrung gewinnen und das alles ohne Geld! Am Ende hat jeder seine eigene Breakout-Geschichte zu erzählen.