Eigentlich ist Christian E. gelernter Bankkaufmann, interessiert sich aber sehr für Medizin und eignet sich deshalb fundierte Grundkenntnisse der Medizin an.
Da er kein Abitur hat, kann er kein Medizinstudium beginnen und schreibt seine Zeugnisse kurzer Hand selbst. Mit den falschen Papieren bewirbt er sich und wird tatsächlich zum Medizinstudium zugelassen. Er absolviert diverse Praktika in der Gefäßchirurgie und beschäftigt sich ganze vier Jahre mit seinem Studium. Trotz offensichtlicher Fehler in weiteren gefälschten Bewerbungsunterlagen, bekommt er sogar eine Stelle als Assistenzarzt.
Anfang 2008 wird Christian E. schließlich als falscher Chirurg an der Uniklinik Erlangen enttarnt. Bis dahin hatte er als Assistenzarzt der Gefäßchirurgie bereits bei rund 190 Operationen fungiert. Darunter 5 Transplantationen. Im August 2009 wird E. zu 3,5 Jahren Haft wegen Urkundenfälschung und Missbrauch von Titeln verurteilt. Nun will E. sein Abitur auf vermeintlich ehrlichem Weg an der Berufsoberschule Bayreut nachholen, doch er lügt munter weiter. Martin S. war zu dieser Zeit sein Sitznachbar und Klassenkamerad.
Wie wirkte Christian E. anfangs auf dich?
Gut. Er war mir eigentlich relativ sympathisch. Ich dachte am ersten Tag er wäre der Lehrer, weil er ja schon älter ist. Aber dann hat er sich zu mir gesetzt und wir haben uns immer gut unterhalten.
Über was habt ihr euch unterhalten?
Naja, er hat mir erzählt, dass er eine kleine Unternehmensberatung führt, die praktisch von allein läuft. Er hat zwei, drei Mitarbeiter die den Laden schmeißen und er schaut nur sporadisch vorbei, ob alles in Ordnung ist. Er sei verheiratet und habe ein kleines Kind. Ich war ziemlich beeindruckt und hatte großen Respekt vor ihm.
Ist es dir nicht komisch vorgekommen, dass ein Inhaber einer Unternehmensberatung sein Abitur nachholen will?
Nein, in dem Moment habe ich gar nicht darüber nachgedacht. Er war so überzeugend und hat das so gut rübergebracht. Das war der Wahnsinn! Auch alles andere was er mir und meinen Mitschülern erzählt hat, haben wir geglaubt. Er hat uns zum Beispiel eingeladen am St. Patrick’s Day mit zu seinen Verwandten nach Irland zu fliegen. Er meinte, er fliegt dort jedes Jahr selbst mit einer kleinen Maschine hin, weil er einen Pilotenschein hat. Er wollte uns alle mitnehmen, da er behauptet hat, er dürfe bis zu 20 Personen mitnehmen.
Habt ihr dieses unglaubwürdige Angebot ernst genommen?
Leider ja. Wie schon gesagt, hatte er irgendwie ein besondere Gabe, alles glaubwürdig erscheinen zu lassen, was aus seinem Mund kam. Wir haben dann natürlich auch viele Fragen gestellt, weil uns das brennend interessiert hat und wir ja keine Ahnung vom Fliegen hatten. Selbst das hat ihn überhaupt nicht aus der Ruhe gebracht. Er hatte immer für alles eine passende, oder sagen wir mal glaubwürdige Antwort. Dumm wie wir waren, haben wir ihm sogar unsere Ausweisdaten gegeben. Er meinte er brauche diese für die Flugsicherung und müsse die Personen mit Namen und Adresse angeben, die bei ihm im Flugzeug mitfliegen.
Was ist mit den Ausweisdaten passiert?
Das ist eine gute Frage. Ich weiß bis heute nicht was er mit den Daten gemacht hat.
Hat er jemals über seinen Betrug oder seine wahre Vergangenheit gesprochen?
Freiwillig nicht. Erst als wir durch Zufall herausgefunden haben, wer er wirklich ist, haben wir uns zuerst an unseren Klassenleiter und dann an die Schulleitung gewendet. Und erst dann gab es eine Aussprache mit der Klasse in der alles aufgedeckt wurde. Selbst die Schule wusste nichts von seiner Vergangenheit. Später stellte sich noch heraus, dass er als Freigänger im Gefängnis untergebracht war, also tagsüber raus durfte und nur nachts einsitzen musste. Das hat uns alle schon ziemlich geschockt.
Wir waren ja praktisch mit einem Verbrecher in einer Klasse. Viele, vor allem die Mädchen, hatten dann auch einfach Angst vor ihm und wollten, dass er die Klasse verlässt. Allgemein war das für uns alle zu diesem Zeitpunkt ein ganz unangenehmes Gefühl. Wir hatten ihm ja alle blind vertraut.
Wie habt ihr erfahren, dass er ein Hochstapler ist?
Ganz primitiv über Google. Unsere Klassensprecherin hat mich eines Nachmittags angerufen und hat gemeint, ich soll mal Christian E. googlen und sie wieder anrufen. Das habe ich gemacht und bin aus allen Wolken gefallen. Ich konnte es zuerst gar nicht glauben und habe das gleich meiner Mutter gezeigt. Sie meinte dann, es kam ihr gleich alles so komisch vor, was ich ihr da immer von ihm erzählt hatte.
Konnte er sein Abitur letztendlich wirklich nachholen?
Nein. Nachdem Christian in der Klasse aufgeflogen war, dauerte es nicht lange bis er gar nicht mehr zum Unterricht gekommen ist. Angeblich soll er durch den täglichen Schulbesuch gegen Bewährungsauflagen verstoßen haben. Ehrlich gesagt war uns das auch ganz recht, als er dann nicht mehr da war. Ich weiß nicht wie wir reagiert hätten, wenn wir von Anfang an Bescheid gewusst hätten, aber da er uns ja die ganze Zeit angelogen hat, habe ich da absolut kein Verständnis für so etwas.