Sie sind gefürchtet, brutal, wild und verbreiten Angst und Schrecken. Obwohl Sie fast ausgestorben sind, kommen sie wieder in die deutschen Wälder. Wölfe sind ganz anders, als sie in Märchen dargestellt werden.
In Mitteleuropa wurden Wölfe seit dem 15. Jahrhundert systematisch aus Angst vor ihnen bejagt, so gelang es auch, dass sie im 19. Jahrhundert so gut wie ausgerottet waren. Und nun kehren die stolzen Tiere wieder in ihre ehemalige Heimat zurück. In Bayern gab es auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der Oberpfalz die erste Wolfssichtung. Das Militärgelände ist eine große, unbebaute Fläche und daher ein idealer Lebensraum für Canis lupus (lat. Wolf ), denn die Vierbeiner brauchen viel Platz um zu Leben. Es ist keine Seltenheit, dass sie in einer Nacht 50 oder sogar 60 Kilometer zurücklegen. Ein Wolfsrudel beansprucht sogar ein Gebiet von 250 km². So viel unbebaute Fläche gibt es bei uns in Deutschland selten, darum haben sich die «bayerischen» Wölfe auch dieses Gelände in der Oberpfalz ausgesucht. So suchte sich auch der erste im Jahre 2000 nach Deutschland zurückgekehrende Wolf ein Militärgelände in Sachsen aus. Insgesamt gibt es in Deutschland inzwischen 69 nachgewiesene Wolfsrudel. Und es werden immer mehr Wölfe – nach Einschätzungen von Experten könnten bis 2025 zweitausend Wölfe hier leben, zumindest dort, wo noch große, zusammenhängende Wälder bestehen.
Angst vor dem bösen Wolf
Müssen wir also beim nächsten Waldspaziergang Angst haben? Greift uns vielleicht ein «großer, böser Wolf» an? Ein Tierpfleger, der in der Ausbildung ist, stellte während der Wolfsschaufütterung im Wildpark Schloss Tambach den Vergleich an: «Wenn du im Wald stehst und dich nur für zwei Wege entscheiden kannst. Auf dem einen Weg steht ein Wildschwein, auf dem anderen ein Wolf. Nimm den Wolf, das ist sicherer!».
Warum ist das so? Ist der Wolf also ungefährlich für den Menschen? Nicole Seifferth ist Tierpflegerin im Wildpark Schloss Tambach. Sie hat täglich mit Wölfen zu tun und hat eine Erklärung dafür: «Ein gesunder Wolf in freier Wildbahn ist normaler Weise nicht gefährlich. Bevor wir ihn sehen, hat er schon unsere Witterung aufgenommen und geht uns aus dem Weg, da wir nicht zu seinem normalen Beuteschema gehören. Doch unter gewissen Umständen, kann der Wolf auch für den Menschen gefährlich werden. Krankheit oder Verletzungen, die ihn daran hindern zu flüchten, können dazu gehören. Oder er wird in die Enge getrieben, wo kein Fluchtweg mehr ist. Jedes Wildtier würde da versuchen sich zu wehren. Die einzige Chance für den Wolf ist es zu beißen. Auch fehlgeprägte Tiere, wie zum Beispiel Wölfe, die durch Menschen angefüttert werden, verlieren die natürliche Scheu.» In den 17 Jahren seit der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland gab es keinen einzigen dokumentierten Vorfall einer Wolfsattacke auf einen Menschen.
Im Grunde ist also ein Wolf weniger gefährlich, als die meisten denken, doch er hat ein massives Imageproblem. Schuld sind unter anderem die beliebten Märchen der Gebrüder Grimm. Besonders das Märchen von Rotkäppchen lässt wenige mit den Wölfen sympathisieren. Aber auch aktuellere Werke, wie zum Beispiel Filme, zeigen den Wolf meistens von seiner negativen Seite und überspitzen sie häufig noch. Oft geht es auch um einen fiktiven, schreckenverbreitenden Verwandten des Wolfes, den Werwolf. Seine Ähnlichkeit zum «normalen» Wolf ist bewusst gewählt. Ursprung der Werwolfsage ist ein Vorfall im Jahre 1589. In diesem Jahr soll der Bauer Peter Stump aus dem niederrheinischen Epprath sich angeblich in Vollmondnächten immer wieder in einen Werwolf verwandelt haben. Daraufhin wurde er von der Justiz verfolgt und hingerichtet. Um gleich dem ganzen «Werwolfspuk» ein Ende zu bereiten, wurden auch seine Kinder und seine Frau hingerichtet. Solche Geschichten verankerten die Angst vor dem Wolf in den Köpfen der Bevölkerung und führten fast zur kompletten Ausrottung der Raubtiere in Mitteleuropa.
«Dabei muss der Wolf geschützt werden, um die Wiederansiedlung sicher zu stellen. Würde man den Wolf nicht schützen, würden diese wunderschönen Tiere wieder in Deutschland ausgerottet werden. Es tragen leider immer noch Sagen und Märchen dazu bei, dass es viele Wolfsgegner gibt. Natürlich muss man sich auch darüber Gedanken machen, wenn Wölfe eine gewisse Population erreicht haben, sie zu reduzieren. Da es ja nicht unendlich viel Platz und Futter gibt.», so Nicole Seifferth.
Herdenschutz
Mehr als die Menschen müssen sich eingezäunte Herdentiere vor dem Wolf fürchten. Sie sind dem Isegrim meist schutzlos ausgeliefert. So kommt es immer wieder zu Angriffen. Der bisher größte Angriff eines Wolfsrudels fand im Jahr 2016 in der Lausitz statt. Überall lagen auf der Weide tote Tiere verstreut. Insgesamt verlor der Schäfer Ballhammer in nur einer Nacht 64 Schafe.
«Der Wolf geht den einfachsten Weg, um an Beute zu gelangen. Für ihn ist es einfacher Tiere in eingezäunten Flächen zu fangen, als Wildtiere in freier Natur.», verteidigt Nicole Seifferth. Das ist durchaus mit dem menschlichen Verhalten vergleichbar, denn auch wir Menschen kaufen lieber Fleisch im Supermarkt, als es im Wald zu jagen. Ungeschützt eingezäunte Tiere sind für den Wolf also so etwas wie die Selbstbedienung im Supermarkt.
Obwohl Schäfer dieses Verhalten nachvollziehen können, entstehen für sie dennoch immense Verluste, wenn die Grau-Silbernen ihre Herdentiere reißen. Wölfe könnten Schafhalter so finanziell ruinieren, vor allem dann, wenn es bei ihren Tieren um besonders hochwertige Exemplare handelt. «In der einen Nacht war es erst ein Schaf und in der nächsten noch eins und dann zwei. Wenn wir nicht höhere Zäune oder unsere Herdenschutztiere später beschafft hätten, wäre das immer so weitergegangen», meint Ballhammer. Mit entsprechenden Maßnahmen können also Wolfsangriffe verhindert werden. Der effektivste Schutz sind nach Ballhamer seine «Kollegen», die Herdenschutzhunde. Das sind spezielle, ausgebildete Hunde, die seit ihrer Geburt mit den Schafen der Herde zusammen aufwachsen, so dass sie die Tiere als einen Teil ihrer Familie ansehen und darum auch verteidigen.
Schäfer, die solche Maßnahmen getroffen haben, berichten in den meisten Fällen von keinen weiteren gerissenen Tieren. Leider treffen die meisten Schafzüchter erst Maßnahmen, nachdem bei ihnen schon die ersten Tiere gerissen wurden. So war es auch beim Begründer der ersten deutschen Herdenschutzhundezucht, der selbst Schäfer ist und nach mehreren Angriffen nach einer Lösung gesucht hat und sie mit diesen Spezialhunden gefunden hat.
Wolf als Helfer
Bei allem Übel, das der Wolf in der Viehzucht anrichten kann, er hilft in der Agrar-Landwirtschaft. In den letzten Jahren nahmen die Bestände von Rotwild und Wildschweinen massiv zu. Sie fressen von den Felder und zertrampeln sie. Der Wolf ist eine natürliche Möglichkeit diese Bestände zu regulieren und so die Felder zu schützen.
Anpassung und Umdenken sind erforderlich, denn der grau-silberne Freund hat hier eine neue Heimat gefunden. Eine bessere Aufklärung ist nötig, damit die falschen Lehren aus den Märchen endlich aus den Hinterköpfen verschwinden. So kann auch ein Zusammenleben zwischen Mensch, Nutztier und Wolf besser funktionieren. Denn unser Lebensraum gehört uns nicht allein, er gehört genauso dem Wolf.